Das Erbe der Templer
auch mein Ziel. Es war ein unheimlich wirkendes und düsteres Gemäuer über dem Wald, das sich trotzig der allmählich verschwindenden Helligkeit entgegenstemmte. Das Chateau Croix de mer!
Nur — wie sollte ich hochkommen? Der Weg schien mir breit genug für den Wagen zu sein. Ich mußte nur herausfinden, wo ich ihn von der Straße aus erreichen konnte.
Es war nicht allzu weit entfernt. Parallel zu einem Bach rollte ich dahin, fuhr auch über Kies und mußte scharf nach links einbiegen, über eine kleine Brücke, die ebenfalls mit hellem Bachkies bestreut worden war. Bis zum Beginn des Hangs konnte ich noch fahren. Vor mir breitete sich ein weiter Platz aus, der von Bäumen eingerahmt wurde. Zwischen zweien führte der Weg hoch. Er war für meinen Wagen breit genug. Es war natürlich gefährlich, die Serpentinen hochzufahren. Zu leicht hätte ich auch vom Dorf entdeckt werden können, zudem schützten mich nicht immer die Bäume.
Der Wagen besaß Musik unter der Haube, lag auch in den Kurven sicher, das Profil der Reifen war gut, und die Federung nahm kleine Schlaglöcher nicht übel.
Zügig nahm ich die Kurven. Der Untergrund war feucht. Zweimal rutschte ich weg und kam bedrohlich nahe an die Laubbäume heran. Zweige kratzten über den Lack. Das Geräusch schmerzte in den Ohren. Noch deckte mich der Wald. Nicht mehr lange. Nach der nächsten Kurve fuhr ich an den Wegrand, der vom Hang her gedeckt wurde. Ich stieg aus.
Nach wenigen Schritten schon gestattete mir die Landschaft einen freien Blick ins Tal. Ich sah das Dorf unter mir liegen. Aus den Kaminen quoll der Rauch.
Auch die Menschen wirkten wie Spielzeugfiguren. Ich entdeckte nichts Außergewöhnliches, keine Anzeichen der Angst, und doch mußte etwas geschehen sein, sonst hätte der Polizist nicht so unnachgiebig reagiert. Das Schloß konnte ich von meiner Position aus nicht sehen, dafür aber einen grauen Himmel, der immer dunkler wurde. Der Tag ging zur Neige. Wollte ich die Burg noch vor Einbruch der Finsternis erreichen, mußte ich mich beeilen.
Das nächste Waldstück, es war wesentlich lichter als das erste, lag zwar nicht weit entfernt, trotzdem mußte ich ein gutes Stück deckungsloser Strecke überwinden, um es zu erreichen.
Ich riskierte es einfach, stieg wieder in meinen Wagen und startete. Diesmal fuhr ich noch schneller, hoffte, daß man mich vom Dorf aus nicht sah, und war froh, wieder in ein Wäldchen eintauchen zu können. Hier oben lag noch Schnee. Grauweiße Flecken bedeckten in einem wirren Muster den Hang. Auf dem Weg lag nichts.
Nach zwei weiteren Kurven sah ich die Burg.
Ich war so überrascht, daß ich stoppte, denn das alte Gemäuer machte keinen verfallenen Findruck. Trutzig und dunkel hoben sich die Mauern vom Untergrund ab, als hätte sie jemand mit schwarzer Farbe angestrichen. Iis war eine tote Burg, ein starres Gemäuer. Auf seinen Zinnen wehte keine Fahne, um die Mauern pfiff allein der Wind. Zum Süden hin wurde sie durch hohe schneebedeckte Berge gedeckt, im Norden lag das Hügelland, im Westen das Meer.
Fine gute Ausgangsposition für den damaligen Besitzer Hector de Valois. Er hatte die Burg verlassen und war verschwunden. Weshalb? Aus welch einem Grunde hatte er einen fast idealen Platz aufgegeben? Da mußte irgendwann etwas schiefgelaufen sein.
Ich hatte ihn auf meiner Zeitreise erlebt. Er war ein Mensch gewesen, der sich durchsetzen konnte. Seine Flucht mußte deshalb einen schwerwiegenden Grund gehabt haben.
Da ich schon so weit gefahren war, wollte ich auch den letzten Rest der Strecke nehmen. Nicht einmal zwei Minuten benötigte ich, um das Ziel zu erreichen.
Auf einem freien Platz hielt ich an, öffnete die Wagentür, und sofort schoß der Wind in mein Fahrzeug. Er wehte von Westen herbei, vom Meer, und brachte die Kälte mit.
Im letzten Licht des Tages sah ich auch in der Ferne die graue Wasserfläche des Atlantiks. Sie wirkte wie eine unendliche Fläche aus mattem Blei, die hineinführte in den Himmel und letztendlich doch nur einen Horizont bildete.
Auf der einen Seite die Weite des Meeres, auf der anderen die hohen Mauern der Burg.
Ich stand dazwischen und kam mir ziemlich verloren vor. Aber die Burg war jetzt wichtiger. Über mir sah ich zwei prächtige Adler kreisen. Es gab nicht viel Schnickschnack an diesem Bauwerk. Die Burg besaß klare, geometrische Linien und ein hohes, verwittert aussehendes Eingangstor, auf das ich zuschritt. Keine hochgezogene Zugbrücke wies mich ab. Ich konnte die
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