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Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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dem Duft der Lilien, des Lavendels und des Geißblatts erlagen. Über dem Park schwebte der für den Spätnachmittag typische Dunst. Es war vollkommen windstill, nichts bewegte sich, selbst im Pool kräuselte sich keine Welle. Frieden. Eine derartige Stille hatte sie in England nie erlebt und ebenso wenig die einfachen Freuden des Alltags. Das war vermutlich das, was die Italiener la dolce vita nannten.
    »Ich fürchte, du wirst mir das Herz brechen.«
    Cari grinste. »Damit ist wohl kaum zu rechnen, Marco.« Im Kräutergarten erhoben sich die spitzen Nadeln des Rosmarins über das makellos leuchtende Blau des Borretsch. Cari beugte sich hinunter, zupfte ein Blatt vom Basilikum ab und rieb es zwischen den Fingern. Augenblicklich entfaltete sich sein Aroma. Rieb man zu stark, verflüchtigte es sich. Wer wollte das schon?
    »Möchtest du heute mit mir ausgehen und … es ausprobieren?« Seine leicht heisere Stimme ließ sie schaudern. Woran lag es, dass italienische Worte dermaßen sexy klangen?
    »Hmm …« Mochte sie? Sie hatte schon gedacht, er werde sie nie fragen. Besser also die Gelegenheit nutzen; wer weiß, ob sie eine zweite Chance bekommen würde. »Man könnte mich überreden«, antwortete sie, während sie eine kleine hellgrüne Eidechse beobachtete, die über die weiße Wand der Villa flitzte und im Schutz der Steinmauer verschwand.
    »Benissimo.« Stille.
    Überdachte er vielleicht den nächsten Schachzug? Führte er sie womöglich an der Nase herum? Oder ging die Phantasie mit ihr durch? In dieser Hitze konnte man den Bezug zur Realität verlieren. Wen wundert es, dass die Italiener ein derartig leidenschaftliches Volk sind?, dachte sie.
    »Ich wüsste einen Ort …«
    Cari schloss die Augen. War er sich bewusst, welche Gefühle er in ihr auslöste? Ob er diese Wirkung auf alle Mädchen hatte? »Daran zweifle ich nicht eine Sekunde«, flüsterte sie.
    »Einen ganz besonderen Ort.«
    Cari bemühte sich, ihren Atem unter Kontrolle zu halten. Jetzt mal ganz ruhig! Um was ging es denn eigentlich? Redeten sie hier von Cafés, Restaurants oder …?
    »Einen sehr abgeschiedenen Ort.«
    »Aha.« Also eine dritte Wahlmöglichkeit. Anfangs wollte er sie nicht küssen und jetzt das! Er steckte voller Überraschungen! Doch wollte sie das wirklich? Ging es nicht zu schnell?
    Cari setzte sich auf die Schwelle und streckte die Beine aus. Schon jetzt waren sie sonnengebräunter denn je, obwohl sie sich so gut wie nie in die Sonne gelegt hatte. Aber die Italiener lebten mehr oder weniger im Freien. Es war so viel angenehmer. Den Kaffee trank man auf der Terrasse, und auch das Mittagessen wurde für gewöhnlich dort eingenommen – und am Abend aß man im Garten mit Kerzen auf dem Tisch, während Laternen den Pool, die Hortensien und Lilien in den ausgebleichten Terrakottakübeln beleuchteten.
    »Und? Was hältst du davon?« Er wartete. Während sie vollkommen blockiert war – sowohl im Kopf als auch was die Sprache betraf.
    »Um wie viel Uhr?«, fragte sie zurück. »Ich wollte gerade mit Aurelia einen Spaziergang machen. Außerdem hat sie bereits das Abendessen vorbereitet.« Er sollte lieber ein wenig vorausplanen, dachte sie. Spontaneität war etwas Tolles, aber schließlich muss man sich auch nach anderen Menschen richten.
    Er lachte. »Familie, Familie, mmh?«
    Sie versuchte, seinen Ton zu deuten. Ja. Familie. Die Familie war vermutlich das Wichtigste.
    »Um zehn?«, schlug er vor. »Am Tor?«
    Cari zögerte. »Ist das nicht ein bisschen spät, um auszugehen?« Was würde Aurelia denken? Aber eigentlich war das egal. Sie war schließlich neunundzwanzig und konnte über sich selbst bestimmen. Dennoch … Warum holte er sie nicht ab? Warum wollte er ihre Großmutter nicht kennenlernen?
    »Unsinn, cara .« Seine Stimme klang entschlossen. »In Italien ist zehn Uhr früh. Vertrau mir!« Er schwieg. »Du vertraust mir doch, oder?«
    Vertraute sie ihm? Sie sollte es nicht tun, wenn sie vernünftig sein wollte. Aber sie hatte auch diesmal einfach keine Lust, der Vernunft zu folgen. Ihr gefiel Marcos Spontaneität, und sie wünschte, sie könnte ebenso spontan sein. O ja, sie wollte es. Sie wollte ihn.
    »Ich vertraue dir, Marco.« Sie stand auf, klopfte den Staub von den Shorts und ging summend ins Haus, um das schnurlose Telefon wieder an seinen Platz zu legen. Wahrscheinlich ganz schön blauäugig, oder?
    »Erinnerst du dich an eine Freundin meiner Mutter namens Gail?«, fragte Cari ihre Großmutter, als sie Arm in Arm

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