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Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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durch das Labyrinth spazierten. Diese Frage brannte ihr bereits seit einiger Zeit auf den Nägeln, nicht nur weil diese Person auf der Party gewesen war – wenngleich nicht bei Tasmins Beerdigung –, sondern auch wegen Tasmins Anruf bei Edward am Abend ihres Todes. Noch ein Geheimnis. Sie bezweifelte es zwar, aber vielleicht konnte Aurelia Licht in diese rätselhafte Geschichte bringen.
    Aurelia war stehen geblieben. Sie warf einen Blick auf Cari, wand sich aus ihrem Arm und beugte sich hinunter, als würde sie die Blüte eines Oleanders inspizieren.
    Eine eigenartige Reaktion. Andererseits hatte sich Aurelia schon den ganzen Tag über seltsam verhalten. Sie wirkte verletzt und hatte keine Lust zum Malen. Allein Letzteres war ungewöhnlich. Stattdessen hatte sie auf der Terrasse gesessen und Löcher in die Luft gestarrt, während Cari sich Notizen zu Carmellas Kleid machte. Sie überlegte, wie viel Material sie benötigte, ob sie Carmella zu einem kleinen Schleier – kurz und sexy – aus rotem Netzgewebe überreden sollte oder zu einem exzentrischen Haarreif mit Federschmuck – was augenblicklich in England der letzte Schrei war. Es würde keinen großen Aufwand bedeuten, die Federn in dem gleichen Rot wie das Kleid einzufärben. Enrico war irgendwohin verschwunden – für jemanden, der im Ruhestand war, verschwand er ziemlich oft –, und Aurelia wirkte eindeutig verstört.
    Sie war offenbar zu einer Entscheidung gekommen. »Ja, ich kannte sie recht gut.« Sie spazierte den sandigen Pfad entlang. Sehr zerbrechlich. Sehr aufrecht. Sehr sicher. Ihr großer Sonnenhut saß ein wenig schief auf dem Kopf, doch bot er immerhin Schutz vor der Hitze.
    Recht gut? Das Verhältnis zwischen Tasmin und Aurelia überraschte Cari zuweilen immer noch. Waren sie einander wirklich nah gewesen? Oder hatte es für Tasmin immer nur Richard gegeben? Sie folgte Aurelia auf einem nach rechts abbiegenden Weg, der in das Herz des Labyrinths mündete. Der sinnliche Duft des Jasmins schwebte an dem trägen Spätnachmittag in der Luft. Und womit war heute Abend zu rechnen?
    Aurelia drehte sich hastig um. »Weshalb fragst du?«
    Cari überlegte, wie viel sie ihr erzählen sollte. Sie wollte sie nicht noch mehr in Aufregung versetzen. Aber da sie das Thema aufgegriffen hatte … »Meine Mutter hat Edward von der Party mit ihrem Handy angerufen«, erklärte sie.
    »Edward – der Mann aus der Galerie?« Sie hatten das unvermeidliche Ziel erreicht – den Teich und die Bank aus Olivenholz – und ließen sich erleichtert darauf nieder. Aurelia benötigte wahrscheinlich eine Pause, und Cari musste unbedingt ihre Gedanken ordnen.
    Cari nickte. »Das ist vermutlich nicht ungewöhnlich – schließlich waren sie befreundet und besprachen viele Dinge miteinander.« Mehr als Tasmin jemals mit Cari besprochen hatte. »Er war so etwas wie eine …« Sie zögerte.
    »Vaterfigur?« Aurelia legte die Hand auf Caris Arm. »Ich verstehe, Liebes. Aber was hat das mit Gail zu tun?«
    Cari betrachtete den südländischen Matrosen. Großartig. Das musste ein Italiener sein. Irgendwie erinnerte er sie an Marco. Ein Gefühl von Vorfreude durchströmte ihren Körper, und sie versuchte den Schauder zu unterdrücken. Weshalb war sie so von ihm fasziniert? Wie hatte sie sich so bezirzen lassen können?
    »Sie hatte sie getroffen«, sagte sie. »Auf der Party. Deshalb hatte sie telefoniert. Das hat Edward zumindest gesagt.«
    Aurelia erhob sich. Sie nahm einen kleinen Ast vom Boden auf und schob ein paar Algen, die die Seerose zu ersticken drohten, beiseite.
    Und nun?, wunderte sich Cari. War das so etwas wie eine Übersprungshandlung?
    »Bist du dir da sicher?« Aurelia wandte sich zu ihr. »Ich habe mir nie vorstellen können, dass sie in Verbindung bleiben würden.« Erstaunt schüttelte sie den Kopf. »Nach … Na ja, Tasmin war damals erst siebzehn und Gail noch nicht einmal sechzehn …« Ihre Stimme verebbte.
    Cari stand auf und stellte sich neben sie an den Teich. Die grelle Sonne wurde von der Wasseroberfläche reflektiert, und es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen daran gewöhnt hatten. Erst dann konnte sie die goldfarbenen und schwarzen Fische erkennen, die gewandt durch das Wasser flitzten und kleine Wellen erzeugten, in denen sich das Sonnenlicht brach. Zierliche, langbeinige Insekten flogen und taumelten über die Wasseroberfläche, und während sie deren Tanz zusah, schwebte eine übermütige rote Libelle über dem Wasser, ehe sie sich im

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