Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
einzuholen, aber es war düster und der Untergrund tückisch. Mit ihren hochhackigen schwarzen Riemchenpumps verfing sie sich im Brombeergestrüpp und zerkratzte sich die nackten Schienbeine.
Ohne darauf zu achten, ging er weiter. »Ich verstehe« war alles, was er sagte.
Verstand er wirklich? Cari hatte so ihre Zweifel.
Endlich holte sie ihn ein. Er sah hinunter ins Tal, und als sie neben ihn trat, war sie überrascht, auf welcher Höhe sie sich befanden. Der Blick war atemberaubend – sogar bei Nacht. Die dicht mit Bäumen bestandenen Hügel fielen sanft zum Tal hin ab, wo sich ein im Licht des Mondes glitzernder Fluss seinen Weg zum Meer bahnte. Weingärten und Olivenhaine betonten die Konturen der welligen Landschaft. Auf einem der Hügel nicht weit unter ihnen blinkten die Lichter eines Dorfes in der Dunkelheit.
Er deutete darauf. »Das Dörfchen Aurelia.«
»Es ist wunderschön!« Sie verstand jedoch immer noch nicht, warum um alles in der Welt sie hier waren.
Marco entspannte sich sichtlich. »Setz dich doch!« Er wischte den Staub von einer alten, umgedrehten Holzkiste, die als Sitzgelegenheit dienen konnte, und breitete seine Jacke darüber.
Als Cari Platz genommen hatte, setzte er sich neben sie. Irgendwo schrie eine Eule. Cari vernahm das laute Zirpen von Zikaden, aber abgesehen davon herrschte vollkommene Stille.
Es dauerte eine Weile, bevor er zum Sprechen ansetzte. »Ich habe dieses Stück Land gekauft.«
»Oh.« Nun war es ihr klar. »Du meinst …?«
Er nickte. »Hier werde ich mein Restaurant bauen«, verkündete er. »Und genau hier werden die Tische stehen, draußen, im Garten.«
»Wow!« Mit diesem phantastischen Ausblick … Es war so friedlich hier. Man schien sich fernab von der Zivilisation zu befinden, und nach genau solchen Orten suchten die Urlauber, die Italien im Sommer bevölkerten. »Wirst du es selbst bauen?«, fragte sie. Sie wusste nicht, worin er gut war, wo seine Fähigkeiten lagen. In mancher Hinsicht kannte sie ihn immer noch so wenig.
»Ich bin kein Handwerker, aber ich werde eng mit ihnen zusammenarbeiten«, antwortete er. »Ich habe die Baugenehmigung bereits in der Tasche und werde mir das Geld nach und nach verdienen. In zwei oder drei Jahren …« Er zuckte die Achseln.
Er tut so, als müsse er nur mit dem Finger schnippen, dachte Cari. Sie rückte näher an ihn heran. »Was sagt deine Großmutter dazu?«, fragte sie. »Sie ist doch sicher begeistert.«
Er starrte sie an. In der Dunkelheit waren seine Augen tiefschwarz. »Sie weiß es noch nicht«, sagte er. »Ich habe es bisher noch niemandem erzählt.«
»Niemandem?« Cari hielt den Atem an.
»Nur dir.«
Es dauerte eine Weile, ehe ihr klar wurde, was das bedeutete. So sehr vertraute er ihr also, dass er seinen Traum mit ihr teilte! Cari fühlte sich unglaublich geschmeichelt. Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, dem wirklichen Marco zu begegnen.
Sie spürte seine Hände, die zärtlich über ihr Haar strichen. »Und ich werde das Restaurant Carissima nennen«, raunte er. »Nach dir.«
Er war so nah. Tief atmete sie seinen Geruch ein, Mandeln und Kaffee mit einem Hauch Zitrusduft, bis sie ihn in sich trug, er ein Teil von ihr war. Spielerisch fuhr sie mit der Hand durch die schwarzen Locken in seinem Nacken und spürte die Wärme seiner Haut. Seine Lippen näherten sich den ihren, und seine Augen zogen sie magisch an.
Der Kuss schmeckte nach reifen Früchten und Espresso. Ihr zweiter Kuss, ein langer, inniger Kuss, der das Verlangen weckte. Wieder wurde Cari bewusst, wie sehr sie ihn begehrte – mit jeder Faser ihres Körpers. Marco …
Nach dem Kuss hielt er sie fest an sich gepresst. »Vertraust du mir, Cari?«, flüsterte er. »Vertraust du mir genug?«
Sie wusste genau, was er meinte. Am besten wäre es, einfach mit Ja zu antworten und weiterzumachen. Sie wollte nicht aufhören. Aber diese irritierende Stimme in ihrem Innern, die einfach nicht zum Schweigen zu bringen war, sagte wieder das Falsche. »Du weißt alles über mich, Marco. Aber ich weiß nichts über dich.«
»Du weißt alles, was wichtig ist«, murmelte er in ihr Haar. Sein Atem war heiß und süß, und die Haut in ihrem Nacken reagierte mit einem wohligen Prickeln.
»Und doch kenne ich noch nicht einmal deinen Familiennamen.« So, jetzt war es heraus. Sie erwartete, dass er sich wieder mit den üblichen Floskeln aus der Affäre ziehen würde, aber das tat er nicht. Er löste sich auch nicht aus der Umarmung. Sie wartete.
»Er
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