Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
Kundin wartete bereits. Rasch ging sie über das breite Holzdeck zurück zu dem Kiosk, der seit König Edwards Regentschaft am Eingang zum Pier stand. Sie musste versuchen, ihre Großmutter zu finden. So lautete ihr Plan. Nur so würde sie Antwort auf ihre Fragen erhalten. Dank Tasmins Tagebuch ließen sich viele Lücken schließen, aber ihr war klar, dass sie viel weiter zurückgehen musste, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen.
Im Gehen tastete Cari nach dem Bernsteinanhänger, führte ihn an die Lippen und drückte einen Kuss auf das Harz. Sie würde viel tiefer graben und bis in die Zeit vor ihrer Geburt zurückgehen müssen.
Aurelia und Elena ertranken in Menüvorschlägen. Elena hatte offenbar zu jedem Caterer in Ligurien Kontakt aufgenommen. Sie saßen auf der Terrasse von Elenas Haus mit Blick auf die Terrakotta-Dächer, auf den Glockenturm, die gepflegten Gärten im Tal sowie den dichten Baumbestand der Lunighiana im Norden. Elenas mit Wein berankte Pergola bot ihnen Schutz vor der Nachmittagssonne.
Der schöne, dekorative schmiedeeiserne Tisch war mit Speisekarten übersät. Obwohl Aurelia die Schwäche der Italiener für Essen kannte, staunte sie erneut über die Vielfalt für die bevorstehende Hochzeit, die sich ihr darbot: crostini , bruschette und focacce mit Salami, Steinpilzen oder Mozzarella, stracchino , Schimmelkäse aus der Lombardei, und Pecorino; gefüllte Muscheln und Zucchiniblüten; Gemüsetörtchen mit Auberginen, kleinen Zwiebeln, Artischocken, Spargel, Tomaten, Champignons und Anchovis; Pasta: Ravioli, Gnocchi, Tortellini; Salate und Desserts: Parfaits, pandolce , Hefegebäck aus Genua; Kuchen und Früchte … Die Liste nahm kein Ende. Fotos der Delikatessen auf diversen mit weißen Tischtüchern bedeckten Tischen ließen ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.
»Wie glücklich wäre Catarina über einen Hochzeitsempfang in La Sirena gewesen!« Elena sprang vom Sessel auf, um ihren Notizblock zu suchen. »Ich muss den Blumenhändler anrufen«, murmelte sie leise vor sich hin und machte sich eine Notiz.
Aurelia rutschte auf der Holzbank, die sie zu ihrem Stammplatz erkoren hatte, hin und her. Ihr war heiß, und sie schien förmlich auf dem Sitz zu kleben, war aber zu müde, um aufzustehen. Es kam Elena nicht in den Sinn, dass Aurelia solche Äußerungen über Enricos verstorbene Frau verübeln könnte. Ich bin fünfundsiebzig, sagte sie sich und glättete die Falten ihres gemusterten Rocks, eines hübschen, praktischen Kleidungsstücks für warme Frühlingstage. Trotz ihres Alters legte sie Wert auf ihr Aussehen, was sie sich vor zwanzig Jahren noch nicht hätte vorstellen können. Mit fünfundsiebzig müsste ich doch über Empfindungen wie Eifersucht erhaben sein, Himmel noch mal! Ich sollte mich endlich mit unserer liebevollen Partnerschaft zufriedengeben, die wir nach unseren früheren Leidenschaften eingegangen sind. Nichts, was ich vorher erlebt habe, ist mit dem, was ich an der Seite von Enrico erfahren habe, zu vergleichen. Wir haben uns mit dem Zweitbesten begnügt, dachte sie. Das ist kein Geheimnis. Das weiß auch Elena.
Nun gut. Sie setzte sich auf, rückte ihren breitkrempigen Sonnenhut und die Sonnenbrille zurecht und sortierte die Speisekarten nach Kostenaufwand. Ihre Aufgabe war es, zu helfen und nicht nur zuzusehen und zu grübeln. Elena musste zwangsläufig alles noch einmal überdenken, und da würde ihr eine gewisse Logik und Ordnung hinsichtlich der Menüvorschläge sehr zustatten kommen. Und außerdem … Sie, Aurelia, hatte genau die Art von Beziehung, die sie sich mit Enrico gewünscht und auf der sie immer bestanden hatte. Also, was hatte sich denn verändert?
Elena stellte zwei Aperitifs auf den freien Fleck, den Aurelia soeben geschaffen hatte.
»Grazie.« Sie nahm einen Schluck. Köstlich. Sie wusste nicht, ob ein Aperitif tatsächlich den Magen öffnete und ihn auf die folgenden Speisen vorbereitete, wie die Italiener so gern andeuteten, doch sie hatte sich im Laufe der Zeit tatsächlich daran gewöhnt.
»Gern geschehen, meine Liebe.« Elena betrachtete sie, wenngleich etwas geistesabwesend. In Gedanken war sie nach wie vor beim Catering, beim Blumenhändler und beim Hochzeitskleid, vermutete Aurelia.
»Sie waren glücklich«, sagte Aurelia, ohne sich sicher zu sein, was sie hören wollte. »Nicht wahr?«
»Hmmm?«
»Catarina und Enrico.« Es fiel ihr immer noch schwer, die beiden Namen in einem Atemzug zu nennen. Und sie wusste auch, dass es Elena
Weitere Kostenlose Bücher