Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
schwierig genug, und nun wurde es nur noch schwieriger. Cari legte die Gabel zurück auf den Teller. Sie fühlte sich erschöpft. In der letzten Nacht hatte sie den Tagebucheintrag ihrer Mutter über Richards Tod gelesen. Er war grausam. Tasmins Worte besaßen eine erbarmungslose Härte, als könne sie nur auf diese Weise damit fertig werden. Dennoch konnte sie die tiefe Wunde hinter der sachlichen Beschreibung nicht verbergen. Wie sie ihn am Morgen im Bett vorgefunden hatte, erstickt an seinem Erbrochenen, in die Toilette gehastet war und endlos gekotzt hatte. So lange, bis ich das Gefühl hatte, alles, was mich ausgemacht hat, sei nun in der Toilettenschüssel und ich hätte mich von allem befreit .
Cari bemühte sich, nicht daran zu denken.
»Wenn ich recht verstehe, willst du also nach Italien fahren.« Dan schob sich eine volle Gabel in den Mund, nahm das Messer und säbelte den Rest der Pizza Quattro Formaggi so heftig in Stücke, als wolle er seinen Ärger an ihr auslassen. Er schluckte. »Mir ist allerdings nicht klar, was du dir davon erhoffst.«
»Das habe ich dir doch bereits erklärt: Ich suche meine Wurzeln.« Gut, das klang ziemlich dämlich. Vielleicht war es das ja auch. Vielleicht war es ja auch gar nicht wichtig, etwas über ihre Vorfahren herauszufinden? Zu wissen, warum ihre Großmutter die Familie verlassen und nach Italien gegangen war oder wieso ihr Urgroßvater Hester gehasst hatte … sowie all die anderen offenen Fragen zu beantworten, die ihr nachts den Schlaf raubten? Sie war die, die sie war – Cari Banks, Modedesignerin. Tochter von Tasmin und …?
Sie schob den Teller zurück. Plötzlich überkamen sie Zweifel, ob sie überhaupt jemals die Wahrheit erfahren würde. Ihre Mutter hatte ihr von mehreren Jungen erzählt, mit denen sie bekannt gewesen war – Steve Soundso und Nick Irgendwer. Aber Cari wusste nicht einmal die Nachnamen und hatte auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass ihre Mutter mit ihnen geschlafen hatte. Was den rätselhaften Fremden betraf, mit dem Tasmin garantiert Sex gehabt hatte … Cari zitterte. Eigentlich wollte sie gar nicht darüber nachdenken. Aber um wen hatte es sich dabei wohl gehandelt?
Sie seufzte. Sollte sie vielleicht der Herkunft des wertvollen Anhängers nachgehen, den sie um den Hals trug? Beinahe unabsichtlich berührte sie den Stein. Er war zu ihrem Talisman geworden; sie glaubte fest daran, dass er ihr Schutz bot.
Cari goss sich Mineralwasser nach. Sie musste einen klaren Kopf behalten. »Ich möchte meine Großmutter ausfindig machen.« Dan – sie wusste es bereits – würde sofort antworten, auf was für ein aussichtsloses Unterfangen sie sich damit einließ.
»Das ist aussichtslos«, sagte er.
Tja.
»Und was schlägst du vor?« Wieder fing er an zu kauen und heftig zu schlucken.
Ihr Blick glitt zu den anderen Tischen. Andere Paare aßen, tranken, plauderten und lachten miteinander. Am Nebentisch fütterte eine dunkelhaarige Frau ihren Begleiter grinsend mit einer schwarzen Olive aus dem Salat, den sich beide teilten. Er aß sie, lehnte sich zurück und zündete sich eine Zigarette an. Der Rauch mischte sich mit dem Duft nach Tomaten, Basilikum und Mozzarella sowie nach warmem Fladen- und Knoblauchbrot. Seine Partnerin beugte sich leicht vor, und er berührte lächelnd ihre Hand. Cari empfand Neid. Niemand führte hier eine ähnliche Unterhaltung wie Dan und sie. Was war zwischen ihnen schiefgelaufen? Und wie viele ihrer zumeist ernsten Unterhaltungen hatten in Brightons Cafés und Restaurants stattgefunden? So gut wie alle. Es gab mal einen Song, dass zwei Menschen die wichtigsten Entscheidungen in ihrem Leben im Bett treffen. Das traf auf sie und Dan nicht zu. Im Bett hatten sie Sex (manchmal), der berechenbar oder sogar langweilig war, sie lasen und schliefen. Dort fanden weder Gespräche statt, noch küssten sie sich.
Aber jetzt redete Dan. »Das heißt, von Stadt zu Stadt reisen, mit einem Foto von ihr in der Hand? Ein Foto, das, sagen wir, vor zwanzig Jahren aufgenommen worden ist?«
Cari zuckte zusammen. »Dorrie hat mir erzählt, in welche Gegend sie gezogen ist.« Sie hatten eine Stunde lang gemeinsam die Landkarte studiert, während Dorrie sich über den Namen der Stadt den Kopf zerbrach, in die Aurelia hatte fahren wollen. Nun ja, das alles lag wirklich sehr lange zurück. Cari erhoffte sich nicht besonders viel. »Sie wurde von jemandem gesehen«, sagte Dorrie. »Ich habe es irgendwo aufgeschrieben, weißt du. Jemand hatte
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