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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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breitete die Arme aus, und die Finger malten die Zeichen für Weite und gutes Leben in die Luft. »Ein letztes Festessen, als Abschied vom Hochland. Das wird die Brütlinge freuen.« Er wurde wieder ernst. »Und wenn uns der Unsterbliche zurückhält?«
    Amaiki bewegte sich unruhig und scharrte mit den Füßen auf dem festgetretenen Boden vor dem Komkiosk. Hier gab es nichts das sich vor dem Unsterblichen verbergen ließ. Überhaupt nichts’
    Aber spielte das noch eine Rolle? Amaiki mußte das unternehmen, was das Schicksal ihr gebot. Sollte er also ruhig ihre Worte hören.
    Ich will versuchen, so tapfer zu sein wie unsere mutigen Vorfahren.
    »Wenn er mich nicht gehen lassen will, finde ich irgendwie in die Freiheit zurück und folge euch, Zirkelschwestern und -brüder. Laßt Zeichen zurück, die mir zu verstehen geben, welchen Weg ihr genommen habt. Ich schließe mich euch an, ganz gleich, was auch geschehen mag. Ganz gleich, wie lang und beschwerlich die Reise ist - ich finde euch.« Die letzten Worte brachten ein Versprechen zum Ausdruck, das sie halten wollte, eine Versicherung, die sie in das Gewand einer Förmlichkeit kleidete. Amaiki wich einen halben Schritt von dem Schirm zurück und bemühte sich, die Gefühle zu kontrollieren, die nun wie Gischt in ihr emporschäumten.
    Der Zirkel verabschiedete sich mit den Liebeszeichen von ihr, den Symbolen des Wartens und treuer Geduld. Betaki hielt den Brütling hoch und bewegte die kleine Hand des Naish in der Lebwohl-Gestik, und das Kind gurrte und gab leise und saugende Geräusche von sich. Amaiki erwiderte die Zeichen mit Tränen in den Augen, kaum noch dazu imstande, die Flut aus Emotionen zu dämmen. Sie rieb sich die Augen, zwinkerte, bestrebt, jede Sekunde des Sichtkontakts mit ihrem Zirkel zu genießen. Muri verstand offenbar. Er unterbrach die Verbindung, und der Schirm wurde dunkel.
    Rasch trat Amaiki aus dem Kiosk heraus und blieb an der Barriere stehen. Sie beobachtete, wie ihre Familie auf der anderen Seite den Unterstand verließ und in den Gleiter kletterte. Amaiki trat auf die obersten Steine und sah zu, wie der Schweber senkrecht in die Höhe stieg und sich der Bug in Richtung Shiosa drehte. Einige Sekunden lang rührte er sich nicht von der Stelle. Sie winkte.
    Eine stummelartige Tragfläche neigte sich kurz nach unten und dann wieder nach oben - ein gefährliches Manöver, das in einer Katastrophe hätte enden können, wenn die Kontrollen nicht von Keran bedient worden wären.
    Amaiki sah dem Gleiter so lange nach, bis er in der Ferne verschwand. Anschließend kehrte sie niedergeschlagen in ihre Unterkunft zurück, um dort eine leichte Mahlzeit zu sich zu nehmen und ausreichend Mut zu sammeln, bevor sie versuchte, sich mit Hyaroll in Verbindung zu setzen.
    Vrithian
    Hinter den Kulissen (3)
    »Dies und dies und dies und dies und dies und dies«, sang Willow und kratzte vorsichtig an einem Schaft, der ein wenig dicker war als ihr größter Finger. Sie glättete ihn und spitzte das eine Ende zu, so daß der dortige Umfang des Pfeiles nurmehr dem der darin stekkenden Gobelinnadel entsprach.
    Vor einigen Tagen hatte sie den ganzen Dom durchstreift -Bodri war zurückgeblieben, um über die besonderen Eigenschaften von Wurzeln nachzugrübeln und zu überlegen, wie man jemandem eine Falle steilen konnte, der ganz genau wußte, was sie beabsichtigten
    - und Zweige gesammelt, die ihren Vorstellung von Festigkeit, Länge und Stabilität entsprachen. Sie kehrte damit an den Hang zurück, wo sich ihr Lager befand, schnitt sie zurecht und trocknete sie im dichten Rauch eines Feuers. Anschließend schickte sie Sonnenkind los. Im Dorf der Eidechsenleute fand er ein Dutzend Gobelinnadeln, entdeckte in der seit vielen Jahren ungenutzten Werkstatt Hyarolls Klebstoff, Wetzstein und Drehstahl. Sonnenkind konnte nur ein gewisses Gewicht tragen, doch Willow begegnete ihm mit Geduld, und außerdem brachte er seiner Aufgabe ein Empfinden entgegen, das er als eine Art absonderliche Zufriedenheit erachtete.
    Willow griff nach dem Wetzstein und schärfte damit die stumpfen Nadeln. Sonnenkind hockte neben ihr und fand offenbar Gefallen an dem leisen Kratzen und Knirschen.
    Als die Nadeln spitz genug waren, um selbst einen Gedanken zu durchstechen, wählte Willow zwölf Schäfte aus der Ansammlung behandelter Zweige, preßte Löcher in die Enden und klebte die Nadeln hinein.
    »Dies und dies und dies und dies und dies«, sang Willow und reichte Sonnenkind den fertigen

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