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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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befaßten, waren in erster Linie Techniker, keine echten Forscher, und darüber war sie um Linfys willen froh. Sie offenbarten nicht das breite Interesse wirklicher Wissenschaftler und waren bereit, den Jungen zu ignorieren, solange Shadith kooperierte.
    Die Tests dauerten den ganzen langen Tag über und setzten sich auch am nächsten Morgen fort. Dann sagte man dem Mädchen, es sei erst einmal Schluß mit den Untersuchungen, und es ginge nun darum, die gesammelten Daten auszuwerten. Shadith kehrte daraufhin in ihre Unterkunft zurück und ließ sich darin einschließen. Linfyar ruhte auf dem Sofa. Sie blickte auf ihn herab und fragte sich, ob sie sich Gedanken darüber machen sollte, daß er so viel schlief. Sie wußte nicht genau, ob sich ihre Unruhe auf Sorge um ihn gründete oder sie einfach nur neidisch auf ihn war, weil er eine so angenehme Möglichkeit gefunden hatte, die Zeit verstreichen zu lassen. Sie konnte die Langeweile inzwischen kaum mehr ertragen. Die wenigen Bücher, die sie mit sich führte, hatte sie bereits zweimal gelesen. Sie fand nicht die Ruhe, um ebenfalls zu schlafen, und ganz gewiß war sie nicht in der Stimmung, um auf der Harfe zu spielen. Sie betrat die Hygienezelle, blieb vor dem Spiegel stehen und schnitt Grimassen.
    Anschließend entkleidete sie sich, stellte sich unter die Dusche und ließ das Wasser auf sich herabströmen, so heiß, wie sie es gerade noch auszuhalten vermochte, erst von vorn, dann von hinten. Nach einer Weile drehte sie den Öffnungsknauf zu, streifte sich einen Bademantel über und schlenderte ins Schlafzimmer.
    Sie streckte sich auf dem Bett aus, verschränkte die Arme hinterm Kopf und atmete den trockenen und muffigen Duft des Lakens ein. Körper, Körper. Oh, Himmel, wenn man keinen hat, ist es so leicht, das zu vergessen, was darin geschieht. So leicht, zu träumen, wenn man nichts weiter ist als ein Dunsthauch in einem magischen Schmuckstück, das irgendwo Staub ansetzt. Sie kehrte geistig zu ihren ersten Erinnerungen zurück, durchlebte sie noch einmal, konzentrierte sich selbst auf die kleinsten und unbedeutendsten Einzelheiten und sank ganz allmählich in einen tiefen von Alpträumen heimgesuchten Schlaf.
    Der Arzt faltete die Hände auf dem Bauch zusammen und zwinkerte mit den gelben Augen, während seine Gehilfen Sensoren am Kopf und Leib Shadiths befestigten, sorgfältig darauf bedacht, sie nicht bei ihren Bewegungen zu behindern, bei dem Schwanken von rechts nach links, beim Beugen und Strecken. Andere schweigende und ebenfalls in weiße Kittel gekleidete Männer klemmten Mikrofone an den Sessel. Das Mädchen beobachtete das alles, ohne Einwände zu erheben. Selbst wenn sie ein stimmungsvolles Lied sang - sie war sicher, daß angesichts des sterilen weißen Zimmers und der mangelnden Sensibilität der Anwesenden die von den Wissenschaftlern erhofften Effekte ausbleiben würden. Keine Pollen. Kein Linfyar, der den akustischen Wirkungsbereich erweitern konnte. Andererseits: Sie wollte keine Risiken eingehen. Sie war bereit, den Männern eine Melodie darzubieten, die denen ihrer Heimatlieder ähnelte. Doch damit konnten sie bestimmt nichts anfangen, da die nötige Harmonie fehlte, da niemand die Töne hervorbrachte, die man nicht hören, sondern nur empfinden konnte.
    Selbst mit den Pollen wäre die gewünschte Wirkung ausgeblieben.
    Du wirst mich nicht mit einer anderen Sängerin ersetzen können.
    Als einer der Männer mit einem Wink bedeutete, daß alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, sah sich Shadith um, straffte den Rücken und tastete nach den Saiten der Harfe. »Ihr müßtet eigentlich wissen, daß das alles keinen Sinn hat. Ich bin weitaus mehr, als ihr glaubt, und dies ist die einzige Welt, auf der ich Träume zu singen vermag. Bestimmt liegt das an den Pollen.« Sie strich mit den Fingerkuppen über die Saiten, und einige zarte Töne erklangen.
    »Die Luft in diesem Zimmer …« Sie zuckte mit den Schultern.
    »Darüber hinaus ist die Akustik mies.«
    »Spiel und sing.« Die hellen Reflexe auf den Brillengläsern des Arztes verblaßten, und Shadith beobachtete die silbrigen Stöpsel in seinen Ohren, als er die kleinen Geräte rejustierte, um sich von den Geräuschen im Zimmer abzuschirmen.
    Das Mädchen runzelte die Stirn und zupfte einige Akkorde, ließ die vollständige Melodie zuerst in ihrem Innern erklingen und spielte sie anschließend auf der Harfe. Die anwesenden Gehilfen zeigten keine Anzeichen einer Trance. Und da der Echodämpfer

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