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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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heran und hielt eine kurze und eindringliche Ansprache, bei der es um Moral ging, um die Unantastbarkeit von Heim und Tradition, und mit knappen Worten malte er ihr das Bild von einer Welt, in der Männer und Frauen ihren Platz kannten und ihn einnahmen, wo es zu keinem abrupten Wandel kam und ein ruhiges, ungestörtes und behagliches Leben möglich war. Mag ja alles recht nett sein, dachte Shadith, wenn man zufälligerweise ein Mann ist. Perolat wäre von diesen Visionen sicher nicht zu sehr angetan, und Dihann … Sie senkte den Kopf und unterdrückte ein Kichern, als sie daran dachte, wie Dihann reagieren würde, wenn man ihr gesagt hätte, sie solle sich jedem Mann unterordnen, ganz gleich, was für ein Idiot der Betreffende auch sein mochte. Sie hörte dem Ajin weiterhin zu und hielt den Kopf gesenkt, entschied sich dazu, wieder in die Rolle des schüchternen Mädchens zu schlüpfen. Nur für kurze Zeit, sagte sie sich. Bis ich Grey und eine Möglichkeit finde, ihn zu befreien. Bei der Vorstellung der tatsächlichen Empfindungen des Ajin war ihr zum Erbrechen zumute, doch sie erinnerte sich daran, daß sie schon Schlimmeres überstanden hatte.
    Der Ajin führte Shadith und Linfyar ins Außengebäude zurück, in einen großen Raum, dessen Boden aus blendfreien weißen Fliesen bestand. Die Einrichtung des Zimmers setzte sich aus Dutzenden von Computern und Monitoren zusammen, auf denen sich die Bilder zeigten, die von den Satelliten übertragen wurden, die nicht einmal die besonders empfindlichen Instrumente an Bord des Landemoduls geortet hatten. Kell, lieber Himmel, Würmer sollen deine Leber fressen: Du bist wirklich versessen darauf, Aleytys zu erwischen, und du stürzt dich in große Kosten, um eine Chance zu bekommen, sie zu erledigen. An den Konsolen arbeiteten Männer mit steinernen Mienen, sahen kurz auf und nickten knapp, als der Ajin in Begleitung Shadiths an ihnen vorbeiging, in größerem Abstand gefolgt von Linfyar.
    Sie schritten durch einen dunklen Korridor, und wenig später gelangten sie in eine Kammer, die wie eine Krankenstation ausgestattet war. Auch hier glänzten weiße Bodenfliesen und weißemaillierte Apparaturen und andere Instrumente. Auf Shadith machten die meisten Geräte den Eindruck, als seien es technisch bereits veraltete Mechanismen, die man nur in ein neues Gewand gekleidet hatte. Und so war es an vielen Orten Avosings. Auf dieser Welt herrschte eine verwirrende Mischung aus spätindustriellen und zeitgenössischen Technologien. Der Raum war recht groß, und das Geräusch ihrer Schritte hallte dumpf von den Wänden wider, erzeugte Echos, die in dem Mädchen ein gewisses Unbehagen entstehen ließen. Für Linfyar mußte es noch weitaus schlimmer sein.
    Er schob sich näher an Shadith heran und zitterte. Sie legte ihm den Arm um die Schulter und drückte ihn an sich. »Roll die Ohren zusammen, Linfy, und laß dich von mir führen.« Sie blickte vom Ajin zu dem kleinen und untersetzten Mann, mit dem er sprach, gab ein leises Zischen von sich und preßte rasch die Lippen aufeinander, als das Echo erklang. »He!« rief sie. »Hier drin gefällt es mir nicht. Ich will fort von hier.«
    Der kleine Mann drehte sich zu ihr um und musterte sie durch eine Brille, auf deren Gläsern das grelle Licht blitzende Reflexe erzeugte, was ihm den Eindruck verlieh, als sei er ebenfalls eine Maschine. Er trat an eine der Konsolen heran, die mit schwarzen und gummiartigen Schaltern versehen war, und betätigte eine Taste. Die Echos verklangen so abrupt, daß Shadith fast gestolpert wäre. Es war, als sei sie die ganze Zeit über gegen ein unsichtbares Kraftfeld gedrückt worden, das man ohne Vorwarnung desaktiviert hatte. Der kleine Mann kam hinter dem Untersuchungstisch hervor und blieb vor Shadith stehen. Aufmerksam beobachtete er sie durch die dicken Brillengläser, wobei zeitweilig das Gelbe in seinen Augen zu sehen war. »Dieses Kind?«
    »So scheint es.«
    »Hmm.« Er trat um sie herum, die Hände auf dem Bauch
    zusammengefaltet, der sich erstaunlich weit vorwölbte. Man hätte ihn fast für schwanger halten können. »Sollen wir ihr einen Kontrollkragen anlegen?«
    »Nein. Das wäre zu auffällig.«
    »Hm.« Der kleine Mann griff nach der Schulter Shadiths, und mit der anderen Hand tastete er ihren Rücken ab.
    Sie versuchte, sich ihm zu entwinden, aber er hielt sie fest, und seine Finger preßten sich ihr in die Muskeln. Shadith stöhnte vor Anstrengung, bekam seinen kleinen Finger zu fassen,

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