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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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erneut, als Shadith aufsprang und sich dabei in die Richtung wandte, aus der sie das Geräusch vernommen hatte, so wachsam und geschmeidig wie ein Silberpelz. »Was ist denn los? Willst du meine Papierkosten in die Höhe treiben, oder hast du etwa die Absicht, mein Haus niederzubrennen?«
    Shadith streckte und entspannte sich und fuhr mit tintengeschwärzten Fingern durch die dichte Fülle ihrer goldbraunen Lokken. »Du siehst besser aus. Wann bist du angekommen? Ich habe gar nichts gehört.«
    »Ich war auch ganz leise.« Aleytys trat durchs Zimmer, ließ sich in einen Sessel sinken, legte die Füße auf ein Kissen und seufzte, glücklich darüber, wieder zu Hause zu sein. »Hat sich etwas Interessantes ergeben?«
    »Ich weiß nicht, wie interessant du es findest.« Shadith nahm in dem anderen Sessel vor dem Kamin Platz und zog die Beine an.
    »Ich bin die Unterlagen durchgegangen, die Haupt uns schickte, habe mir dabei einige Notizen gemacht. Würde gern wissen, was du davon hältst.« Sie verschränkte die Arme hinterm Kopf und musterte Aleytys schläfrig. »Oder willst du mich vielleicht nicht mehr nach Avosing schicken?«
    »Doch.« Aleytys sah in die Flammen und runzelte die Stirn.
    »Wenn ich Kell von Grey fortlocken möchte, so muß ich nach Vrithian fliegen und mich ihm dort als Köder darbieten. Ich verabscheue das, Schatten, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr.«
    Ein dünnes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie Shadith ansah.
    »Nun, vielleicht hast du doch eine Ahnung.«
    »Mhm. Was macht Harskari?«
    »Grübelt, nehme ich an. Seit Ibex habe ich nichts mehr von ihr gehört.«
    »Sie wird zurückkehren, wenn sie bereit ist.«
    »Das hast du schon einmal gesagt.«
    »Ja - und handelte mir eine nette Abreibung ein. Meine Güte: Wenigstens kann sie mir jetzt nicht mehr unmittelbar etwas anhaben.«
    »Wird höchste Zeit, daß ich einen Körper für sie finde. Vielleicht auf Vrithian.« Aleytys ließ sich noch tiefer in den Sessel sinken und starrte auf ihre angewinkelten Zehen. »Zur Hölle mit all diesen Komplikationen«, sagte sie. »Ich dachte, ich könnte es mir hier gemütlich machen.«
    »Bleib doch einfach auf Wolff.«
    »Du meinst, das sei möglich?«
    Stille folgte auf diese Worte, ein Schweigen, in dem nur wenige Geräusche zu vernehmen waren. Es zischte und knackte im Feuer, und die flackernden Flammen projezierten eine unstete Wärme, in der es immer wieder zu einem kühlen Zug kam. Bei der Konstruktion der Häuser auf Wolff wurde darauf geachtet, die Zugigkeit so gering wie möglich zu halten, doch während der Übergangszeiten, während des kurzen Herbstes und noch kürzeren Frühlings, wenn es die Bauten mit sich rasch verändernden Temperaturen aufnehmen mußten, kroch die Kühle durch winzige Fugen und Ritzen, berührte die Kälte fast alles. Ein leiser Hauch strich über das eine Bein Aleytys’, kroch über ihren Leib, zupfte an dem kurzen Haar oberhalb ihrer Stirn und ließ die Papierknäuel vor dem Kamin erzittern.
    Aleytys bewegte sich. »Kell! Sollen ihm die Zähne verfaulen und seine Eingeweide Löcher wie ein Sieb haben! Ich wünschte, er müßte sich nur von Knochen, Knorpeln und heißer Pfeffersoße ernähren. Ich wünschte, alles, was er berührt« würde sich in stinkenden Staub verwandeln. Und ich wäre glücklich, wenn er bei lebendigem Leibe verrottete und sich alle, an die er Worte richtet, voller Abscheu von ihm abwenden.« Sie seufzte. »Er hätte ein solches Schicksal verdient.«
    »Ja. Es gibt schlimmere Orte als diesen, um nach Hause zurückzukehren. Ich habe mich hier immer sehr wohl gefühlt.« Shadith bedachte Aleytys mit einem kurzen Blick, und in ihren schokoladefarbenen Augen blitzte es neugierig und aufmerksam. »Hinterlaß keine verbrannte Erde.«
    »Es ist alles in Ordnung mit mir«, sagte Aleytys und reagierte damit in erster Linie auf den Blick Shadiths, nicht so sehr ihre Worte. »Ich weiß nicht. Ich habe mich noch immer nicht daran gewöhnt, daß Grey fort ist. Ich kann jetzt noch nicht sagen, wie ich mich fühle, wenn ich mit der Erkenntnis konfrontiert werde, ihn für immer verloren zu haben. Als ich nach der Wanderung mit dem Gleiter hierherflog, dachte ich immer wieder: Wenn Grey zurück ist
    . . . Doch dann erinnerte ich mich daran, daß er aller Wahrscheinlichkeit nach niemals mehr hierherkommen wird. Ich muß mir das immer wieder sagen, und jedesmal ist es so, als erhielte ich einen Schlag in die Magengrube. Wie dem auch sei: Ich habe

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