Das Erbe der Vryhh
servierte die Mahlzeit, und die anderen erkundigten sich nach der Vergangenheit Shadiths, ihrer Einstellung, nach den Plänen für die Zeit ihrer Anwesenheit auf diesem Planeten. Die Speisen schmeckten ausgezeichnet. Linfyar aß hastig und geräuschvoll und setzte seinen Nahbereichssinn (geistige Finger, die nicht schmutzig werden konnten) dazu ein, um festzustellen, wo sich die Teller und Schüsseln befanden, gebrauchte die Nase, um in Erfahrung zu bringen, um was es sich handelte. Einige Fragen wurden an seine Adresse gerichtet, und er gab recht geschickte Antworten. In erster Linie jedoch konzentrierten sich die Sucher auf Shadith, erwiesen sich einerseits als höflich und andererseits als beharrlich. Dann und wann dankte Shadith stillschweigend dem Umstand, daß ihr Äußeres über ihr wahres Wesen hinwegtäuschte - etwas, das für gewöhnlich zu einem ärgerlichen Problem wurde, wenn sie es mit Fremden zu tun hatte. Jetzt aber ergab sich daraus ein großer Vorteil für sie. Die Sucher waren mit ihren Erwiderungen zufrieden, das konnte sie spüren, und an den Stellen, wo sie normalerweise nachgehakt hätten, begnügten sie sich mit einigen knappen Auskünften.
Rashada: (Eine hochgewachsene und schmächtige Frau mit so tief gebräunter Haut, daß die Tönung fast der des dunklen
Tisches entsprach; blaßgelbe Augen, ein kühler und
bewertender Blick, nicht feindselig, nur aufmerksam.)
Deine Vorstellung von heute nachmittag war bemerkenswert. Du bist eine begabte Musikantin, junge Shadith, doch ich glaube, die Wirkung, die du auf deine Zuhörer
erzieltest, überraschte dich selbst.
Shadith: (Kaut auf einem Fleischstück, schluckt und läßt sich Zeit mit der Antwort.) Ich war nicht in dem Sinne überrascht, eher erstaunt, verblüfft. Irgend etwas geschah mit mir.
Marah: (Eine dickliche Frau, etwas kleiner als die anderen, ein rundliches Gesicht mit tief in den Höhlen liegenden
Augen, die im Schatten kaum zu sehen sind und sich nur
durch ein gelegentliches Aufblitzen verraten.) Dann ist der Traumeffekt also neu für dich. Hattest du auf den anderen Welten, die du besuchtest, keine derartigen Erlebnisse?
Shadith: (Öffnet eine weiche und flockige Teigrolle, streicht sorgfältig Butter darauf und nutzt die Zeit, um nachzudenken.) Ich habe einige ähnliche Phänomene gesehen, aber sie gingen nicht auf mich zurück. Auf einem fernen Planeten, vor sehr langer Zeit.
Halamo: (Ein großer und schlanker Mann wie der Zwillingsbruder Rashadas; seine Züge wie ein Spiegelbild der ihren; die gleichen blaßgelben und kühl blickenden Augen, die gleichen langen und knochigen Finger - sogar sein Tonfall entspricht dem Rashadas.) Vor sehr langer Zeit? Du siehst aus, als habe für dich gerade erst die Pubertät begonnen was ich nicht böse meine. Wie alt bist du, Shadith?
Shadith: Älter als ich aussehe. Alt genug, um hundert Welten gesehen und mir von jeder ein wenig genommen, alt genug, um meine Heimat und mein Volk weit hinter mir
zurückgelassen zu haben. In Jahren ausgedrückt? Keine
Ahnung. Ein Reisender kann leicht die Übersicht verlieren.
Dihann: (Eine Frau von strenger und geradezu furchterweckender Schönheit; gewölbte Jochbeine und Katzenaugen, ein rötliches Glimmen im Haar; die Lippen voll. Sie scheint sich zu bewegen, obwohl sie ganz still am Tisch sitzt und nur atmet. Eine Eleganz, die Shadith an in der Sonne dösende Tiger und Leoparden erinnert; die Stimme ein dumpfes
Schnurren; sie ist die älteste der anwesenden Frauen. In der samtenen Haut zeigen sich Falten, und die Muskeln
wirken nicht mehr ganz so kräftig und elastisch. Aber sie sieht trotzdem wie eine gefährliche Kämpferin aus und ist schier atemberaubend attraktiv.) Wie heißt es, Uraltkind, das Volk, das du verlassen hast?
Shadith: Bestimmt kennst du es nicht. Die Shallal von Shayalin; sie lebten auf einer Welt, die so arm war, daß all diejenigen in die Ferne zogen, die eine Möglichkeit dazu hatten.
Meine Verwandten sind längst tot. Ich entkam durch
Zufall einem ähnlichen Schicksal. Ich bin deshalb auf Reisen, weil das Leben eben weitergeht, neue Orte neue Erfahrungen bereithalten und es viele Welten zu sehen
gibt.
Rangar: (Der älteste der Männer, kahlköpfig, mit nußbraunen Augen, einem breiten, dünnlippigen Mund, tiefen Furchen in den Augenwinkeln, einer gerunzelten Stirn und buschigen Augenbrauen.) Shayalin. Einen solchen
Namen habe ich noch nie gehört.
Shadith: Warum auch? Jene Welt ging unter, bevor du geboren
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