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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Fenstern, das Zittern der Vorhänge in der sanften Brise, das Knistern und Prasseln des Feuers, das die einzige Lichtquelle im Zimmer war, die leise Musik aus einer fernen Taverne, die abrupt verklang, als eine Tür zugeworfen wurde - diese unaufdringlichen Geräusche verliehen dem Raum eine unwirkliche Traumqualität, die Shadith als geradezu katastrophal verlockend empfand. Die Eindrücke vereinten sich mit dem immer stärker werdenden Bedürfnis ihres Körpers, zu ruhen und sich zu entspannen, und daraus entstand das Gefühl, als glitte die Realität davon, als habe Shadith nun Gelegenheit, sich mit ihrer Seele an einen wohligen Ort zurückzuziehen, als könne sie ihren Leib für eine Weile sich selbst überlassen. Sie versuchte, sich zu konzentrieren, doch ihre Gedanken wallten nur träge dahin. Das Essen, das sie eben gerade so genossen hatte, lag ihr wie ein schweres Gewicht im Magen und machte sie noch träger und benommener.
    Perolat rollte einen Serviertisch aus der einen Ecke des Zimmers herbei, auf dem ein großer kristallener Krug und dickbäuchige Gläser standen, die gut in gewölbte Handflächen paßten. Es fühlte sich prächtig an, entspannt am Feuer zu sitzen und eins der Gläser in der Hand zu halten. Bei dem Belas, den Perolat ihren Gästen anbot, handelte es sich um einen leicht fermentierten Fruchtsaft, der erhitzt und mit einem auf Avosing gebräuchlichen Gewürz angereichert wurde, das recht scharf war und einen delikaten Nachgeschmack hatte. Shadith nahm einen kleinen Schluck und spürte, wie sich der Nebel hinter ihrer Stirn verflüchtigte, wie ein Teil der Lethargie aus ihrem Körper heraussickerte. Der nun beginnende Test mochte schwerer werden als der während der Mahlzeit. Shadith hatte große Erfahrung darin, sich bei ihren Lügengeschichten nicht zu widersprechen. Sie mußte sich nun auf diese Praxis verlassen und konnte nur hoffen, daß die Sucher an der Shadith, die sie ihnen beschrieb, ausreichend Gefallen fanden, um sie als sympathische Bekannte zu akzeptieren und sie nicht länger im Fokus ihrer argwöhnischen Wachsamkeit zu halten. Nur wenn sie genügend Freiraum hatte, bot sich ihr die Gelegenheit, dem Ajin nachzustellen. Shadiths Gedanken glitten dahin und wandten sich Taggert zu. Ob er schon eingetroffen ist… ? Muß in der Lage sein, ihm zu Hilfe zu eilen, wenn er auf die Falle stößt und sie um ihn herum zuschnappt… ein gewitzter und kluger Mann . .
    . aber diese Beschreibung traf auch auf Grey zu … Grey war zornig; vielleicht machte er deshalb einen Fehler … Doch es erwischte auch Ticutt, und der ließ sich nicht von Wut blenden …
    ruhig, gewissenhaft, zielstrebig … so vorsichtig wie ein Kojote, der einen giftigen Köder wittert… Taggert wird die Sache noch behutsamer angehen … Ich wünsche ihm viel Glück … Erneut nippte Shadith an dem heißen Belas, beobachtete, wie Perolat das letzte gefüllte Glas weiterreichte und dann Platz nahm, wobei sie aufgrund der Beinprothese einige Schwierigkeiten hatte, sich auf dem Boden niederzulassen.
    Die von den leisen Geräuschen der Nacht unterbrochene Stille dauerte an. Linfyar rutschte einige Male umher, trank sein Glas aus, rollte sich neben Shadith zusammen, den Kopf auf ihren Oberschenkel gestützt, und schlief ein.
    Nach einiger Zeit stand Perolat auf, wankte durchs Zimmer und füllte die Gläser wieder. Anschließend nahm sie in einem Sessel Platz, das Bein mit der Knieprothese auf ein Kissen gestützt.
    »Kennst du irgendwelche Pajungg-Lieder?«
    Shadith gähnte und zwinkerte. »Ich bin noch nie auf Pajungg gewesen.«
    »Ach.«
    Wieder Schweigen.
    Ticha griff neben ihr Kissen, holte drei gewölbte und gebogene Hartholzstücke hervor, die aussahen wir fossile Rippenknochen, und köpfte damit in einem bestimmten Rhythmus auf ihren Schenkel.
    Derek nahm eine lange Flöte zur Hand, die aus dem gleichen Material bestand wie die Stöcke Tichas. Sie wies sechs Löcher auf, jedoch keine Klappen. Versuchsweise blies er einige Töne, begann dann mit einer einfachen Melodie, die er in rascher Folge wiederholte, im Takt des Stockklopfens.
    Awas verließ das Zimmer und kehrte mit einer großen Gurde zurück. Sie wies in der Mitte ein tiefes Loch auf, und darüber hinweg waren einige Saiten gespannt. Awas setzte sich wieder, pochte mit der einen Hand auf ihr Instrument und zupfte mit der anderen gleichzeitig an den Strängen. Sie fügte der Musik einen dritten Klang hinzu, der sich von den beiden anderen unterschied, jedoch

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