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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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entstehen, und die sanften Wellen gurgelten im Takt der laufenden Füße Wülows über den Strand. Heerscharen von Kimkim trieben in dunklen Schwaden über den seichten See. Fische schnappten nach ihnen und fielen ins Wasser zurück - ein beständiges Klatschen unter den finsteren und wallenden Schwaden.
    Willow genoß die Dämmerung, fand Gefallen an dem glänzenden Schweiß auf ihrer Haut, der Geschwindigkeit, mit der sie sich bewegte, auch an den Gerüchen ihrer Umgebung, den Aromen der feuchten Erde, des Sandes und der Felsen. Sie beobachtete die Ansammlungen von Rohrkolben an den Stellen, wo der Wasserstand besonders niedrig war, die alten Stengel und Blätter, die sich mit dem Schlick vereinten, die süßen, ach so süßen, Yunyiun-Blumen, die dort wuchsen, wo die Felsen bis in den See hineinreichten, mit steifen weißen und auch rosafarbenen und karmesinroten Blüten, betrachtete kurz die spitz zulaufenden Blätter, die wie Dornen wirkten. Verwesende Fische, Vogelkot, feuchte Federn
    - sehr intensive Gerüche, die Willow zusammen mit der frischen und klaren Morgenluft einatmete.
    Sie blieb stehen, als sie weiter vorn aufgewühlten Sand sah, und sie begann damit, zu graben und nach Kimkim-Larven zu suchen.
    Hyaroll ließ den Geschöpfen seines Zoos ausreichende Mahlzeiten zukommen, aber dann und wann zog Willow es vor, sich ihr Frühstück selbst zu besorgen. In gewisser Weise bewies sie sich damit, daß sie trotz der vielen Dinge, die sie an Zeit und Entfernung verloren hatte, nach wie vor zu einer - wenn auch nicht sonderlich ausgeprägten - Selbständigkeit imstande war. Sie sammelte eine Handvoll der Larven, wusch sie und wanderte weiter, wobei sie die Hülsen knackte, das weiche weiße Fleisch herausklaubte und es mit breiten und dicken Zähnen zerkaute. Als sie alle Larven verzehrt und die Reste der Schalen im Sand verstreut hatte, nahm sie einen scharfkantigen Stein zur Hand und schnitt damit eine große Knolle von einer der Yunyuin-Pflanzen. Sie wusch sie ebenfalls im Wasser des Sees ab, strich den Schlamm fort und entfernte darüber hinaus die weißen Wurzelfäden und die Außenhaut. Als sie mit ihrem Werk zufrieden war, schritt sie einige Meter weiter und verharrte an einer Stelle, wo das Wasser klar und sauber war, ging in die Knie, trank und spülte den Nachgeschmack der Larven und letzte Fleischfasern fort, die zwischen ihren Zähnen verblieben waren. Anschließend erhob sie sich wieder, schüttelte sich und blickte in Richtung der Sonne, die blaß und weit entfernt schien wie eine Frucht, die noch nicht reif genug war, um Wärme zu entwickeln.
    Willow hielt die Knolle in der linken Hand, wandte sich um und lief in die Richtung zurück, aus der sie gekommen war. Der Sand war inzwischen ein wenig trockener, der Enthusiasmus Willows nicht mehr ganz so intensiv wie zuvor. Sie stürmte nicht dahin, sondern sprang leichtfüßig umher. Das Gewicht der Knolle verlagerte den Schwerpunkt ihres Körpers, worauf Willow mit einer gewissen Freude reagierte, und sie spürte, wie sich der Rhythmus des Laufes ein wenig veränderte.
    Als ihr warm geworden war, reduzierte sie die Geschwindigkeit und wanderte langsamer. Sie holte das zusammenklappbare Messer hervor, das Hyaroll ihr gegeben hatte, und sie begann damit, in die faserige Innenborke der Knolle zu schneiden, wobei sie konzentriert und ganz behutsam vorging, mit jener Art von Aufmerksamkeit, die sie allen physischen Aufgaben entgegenbrachte.
    Hyaroll hatte das als Körperdenken bezeichnet, damals, als er noch interessiert genug an seinem Zoo gewesen war, um mit den einzelnen Geschöpfen zu sprechen. Die blasse und lohfar-bene Schicht löste sich in langen Fladen und enthüllte nach und nach das cremige Innere. Willow entfernte den letzten Streifen und wollte ihn fallen lassen wie die anderen, zögerte dann aber, als ihr plötzlich etwas einfiel. Nachdenklich betrachtete sie die Faser, band sie sich an die Taillenschlaufe und wickelte sie mehrmals um das Seil, um sicherzustellen, daß sie nicht verlorengehen konnte. Im Anschluß daran setzte sie sich wieder in Bewegung, schnitt einzelne Stück aus dem süßen und würzigen Fruchtfleisch der Knolle und verspeiste sie, während sie am Ufer des Sees entlangschritt, in Richtung des ovalen und überdachten Rasens, wo sie später an diesem Tag mit Sonnenkind und Bodri zusammentreffen würde.
    Willow saß im Gras, drehte die Wurzelhaut in den Händen, strich immer wieder darüber hinweg und kaute darauf, ganz

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