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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Wenn ihre Familie hier war, so würden ihre Verwandten von dem erfahren, was in ihr vor sich ging, durch das geteilte Schicksal und die Erlebnisechos.
    Amaiki erwog die Möglichkeit, sie zum Komkiosk in der Nähe des Arbeiterquartiers zu bestellen. Das mache ich, heute abend. Vielleicht wiederholt sich der Traum nicht. Sie lenkte ihren Gleitschlitten in eine einfache Hütte, die unmittelbar neben der einen Wand des Hauses Hya-rolls errichtet worden war. Dort angekommen, nahm sie die Werkzeugtasche aus dem Regal im hinteren Teil des Schuppens und wanderte langsam durch den ruhigen und frischen Morgen in Richtung des Tazukli-Ringes.
    Als sie etwa eine halbe Stunde lang gearbeitet hatte, auf den Knien vor jeder einzelnen Tazukli-Staude - sie beschnitt die dicksten Zweige, glättete und begradigte sie, rollte sie an den Enden zusammen, trug den porösen Härter auf, der jene Neigungen stabilisierte, die Amaiki als besonders hübsch empfand -, vernahm sie das Geräusch von Schritten, auch das Zungenschnal-zen des Wanderliedes der kleinen Frau. Ständig sang oder tanzte sie. Sie tanzte selbst dann, wenn sie saß - es sei denn, sie war auf irgendeine Handarbeit konzentriert. Eine der Seltsamen, aber nicht so seltsam wie einige andere. Während Amaiki noch die Schnalzlaute des Liedes hörte, rollte sie die letzten Zweigspitzen zusammen. Die Melodie verlieh ihr einen Teil der glücklichen Ruhe der Frau auf der anderen Seite der Anpflanzung, und sie wandte sich der Aufgabe zu, vorsichtig einige der Knospen abzuschneiden, die entweder die falsche Form hatten oder an der falschen Stelle keimten. Tod und Feuer - schlechte Zeiten brachen für die Conoch’hi an, wenn ihr Traum, der sich dreimal wiederholt hatte, ein Ausblick in die Zukunft gewesen war. Andererseits: Der Traum einer einzelnen Person spielte keine sonderlich große Rolle. Eine Übereinkunft der Familie war notwendig, dann des Stammes und schließlich der gesamten Gemeinschaft, um verläßliche Hinweise auf das Kommende zu gewinnen, um alle wie eine Einheit handeln zu lassen.
    Im Lebens-Gewebe der Stammes-Mutter Amaikis zeigte sich das Muster der Einheit nur selten, nicht mehr als zweimal. Ja, ein einzelner Traum bedeutete nichts, wurde vielleicht nur von einem Unwohlsein hervorgerufen, von einem Streit mit einer Ko-Frau oder dem Naish einer Liebesgruppe, von diffusen Ängsten, vager Scham oder tausend anderen Dingen. Das sagte sich Amaiki immer wieder, und ihr Verstand begriff das auch. Dennoch verblieb der kalte Knoten in der Magengrube Amaikis.
    Sie rutschte auf den Knien weiter, nach einer anderen Tazukli, und sie entschied sich dabei ganz bewußt für einen Strauch in der Nähe der Stelle, wo einer der Seltsamen auf der anderen Seite der Büsche hockte. Vor einigen Tagen, als sie sich an diesen Ort begeben und festgestellt hatte, daß es Zeit wurde, die Tazukli neu zu formen, war es ihr möglich gewesen, dem Gespräch der drei Seltsamen zuzuhören. Jetzt wünschte und fürchtete sie zugleich, Zeugin einer weiteren Unterhaltung zwischen ihnen zu werden. Die spitz zulaufenden und blattförmigen Ohren Amaikis zitterten. In ihrem Nacken spannten sich die Muskeln an, als sie die seitlichen Triebe der Staude kürzte und die Schnitte mit dem Versiegler aus der Werkzeugtasche behandelte. Sowohl der Käfermann als auch das Sonnending hatten recht: Hyaroll wurde das Opfer einer Lethargie, die sie alle bedrohte - ob er nun starb oder nicht. In dem Jahr, als Amaiki Shiosa verlassen hatte, war der Hochlandregen dünn und viel zu spät gewesen. In diesem Winter und auch im vergangenen hatte es überhaupt nicht geregnet. Die Brunnen trockneten aus, insbesondere die in der Nähe des Domes befindlichen, wofür in erster Linie die Pumpen Hya-rolls, die jeden Tropfen absaugten, die Verantwortung trugen. Zum erstenmal in der ganzen Geschichte, zum erstenmal, seit die Ereignisse der Vergangenheit in den Lebensgeweben der Hoch-land-Conoch’hi festgehalten wurden, verletzte der Vryhh Hyaroll das Abkommen und brachte nicht den Winterregen. Amaikis Volk hatte bereits damit begonnen, die alte Heimat zu verlassen. Wenn die letzten Brunnen austrockneten, würden die Dörfer bald leer und verlassen sein. Die Stammes-Mutter der Yumoru von Dum Ymori begab sich zum Rufkiosk, doch Hyaroll sprach nicht mit ihr. Der Alte Steinerne Vyrhh, wie die kleine Frau ihn genannt hatte. Eine sehr angemessene Bezeichnung. Er hörte nichts, sah nichts, interessierte sich für nichts. Im letzten Jahr und auch

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