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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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ihm ebensolches Vergnügen wie meinem Volk das Lachen und Klatschen im Takt eines Liedtanzes. Solange wir beschäftigt sind, wird er nichts unternehmen. Möglicherweise sagt er sich: Ich warte ab und mache der Sache dann ein Ende, wenn sie soweit sind.«
    Willow zog an dem Strick und fühlte, wie sich der Strang spannte, ohne zu reißen. Vielleicht ein Fischnetz- wenn das Material vom Wasser nicht zu sehr aufgeweicht wird. In jedem Fall aber gibt es etwas zu tun.
    »Ich denke an die vielen Pflanzen hier«, sagte sie. »Ich denke daran, daß du weißt, wie man sie wachsen läßt. Vielleicht weißt du auch, wie man Gift aus ihnen gewinnen kann. Otter, andere, Männer, fern-fern, als …« Willow suchte nach den richtigen Worten, hob die Arme und vollführte eine umfassende Geste, die bedeuten sollte: vor langer Zeit, weit entfernt, verloren für mich, oh, für mich verloren. »Wenn der Regen kommt, jagen sie Pap-kush und Dofuffay. Und während der Trockenzeit stellen sie Pfeile und Bögen her und nehmen Steinsplitter als Spitzen. Kleine Pfeile.
    Etwa so groß …« - Willow hielt die Hände etwa in Unterarmlänge auseinander -,»… und Dofuffay, zweimal so groß wie Bodri, und noch ein Rest bleibt übrig.« Sie lachte. »Und wir Frauen … wir kochen Kakoya-Wurzeln, bis daraus eine klebrige Masse am Topfboden zurückbleibt - Poosha für Pfeile. Poosha tötet nicht, läßt schlafen. Wenn Dofuffay getroffen wird, so läuft er und läuft, bis er zusammenbricht und schläft.« Mit den Fingern ahmte sie die Bewegungen eines sich auf die Hinterläufe aufrichtenden Tieres nach, das anschließend rasch die Flucht ergriff. Nach einigen Sekunden legte sie die Hand flach ins Gras. »Dann lassen ihn die Männer bluten, verbluten, und schneiden ihn auf. Ich denke, wir stellen Poosha für den Alten Steinernen Vryhh her.«
    »Er hat dich jetzt bestimmt gehört und weiß Bescheid.« Willow wickelte sich die Enden des Stricks um die Daumen und zerrte ruckartig und heftig daran, knurrte leise, als ihr die Fasern in die Haut schnitten. »Soll er uns nur beobachten. Dauert eine Weile, bis wir das richtige Rezept für Poosha haben. Probieren es an einem Tier aus, das so groß ist wie ein Vryhh Anschließend lassen wir uns etwas einfallen.« Sie neigte den Kopf zur Seite und lächelte Bodri an. »Sonnenkind und ich, wir machen ein Stück hier und ein Stück da. Und jetzt machst auch du ein Stück, ja - hm?«
    Vrithian
    Handlung am Rande (2)
    Früh an jenem Morgen kam Amaiki in den Garten, und sie lenkte ihren Gleitschlitten fort von dem einfachen und schlichten Haus im Quartier der Arbeiter dicht an der Außenwölbung des Domes. Als eine zarte und reptilienartige Gestalt stand sie auf der kleinen runden Plattform, die fünf langen Finger (die schmalen und krummen Daumen sorgfältig daruntergestülpt) sanft auf den Druckkontrollen ruhend. Sie befanden sich am Ende einiger einem Viertelkreis nachempfundener Bögen, die aus einer schmalen und vor Amaiki im Boden verankerten Konsole ragten. Amaiki: weiche und graugrün gefleckte Haut, lange und geschmeidige Falten aus losen Schuppen, die sich einem Schal gleich um ihren Hals legten und wie ein Gazeschleier ihre Flanken umspielten, filigrane und reizvolle vertikale Falten, die hier und dort durch die schmalen Öffnungen des braunschwarzen Überrocks zu sehen waren, den sie trug - eines Überrocks, der keine Verzierungen aufwies, nur die in den Stoff hineingewebten Muster.
    Jene Muster veränderten sich mit jeder Bewegung Amaikis, bei jedem Windstoß, der den Mantel bewegte, wie eine optische Melodie aus Licht und Schatten.
    Sie suchte den Garten deshalb schon so früh auf, weil sie beabsichtigte, im Kreis der Tazukli-Büsche zu arbeiten und sie dazu zu bringen, in der Kandelaber-Form zu wachsen, in der die Flatterblüten, die bereits jetzt an den Seitenzweigen Knospen bildeten, besonders gut zur Geltung kamen. Es war eine delikate Arbeit, die große Aufmerksamkeit und Hingabe erforderte und die von den Androiden nicht durchgeführt werden konnte. Sie machte die Geschicklichkeit von Conoch’hi Fingern nötig, die ästhetische Intuition von Conoch’hi - eine Arbeit, die Amaiki mochte, bei der sie nach den Alpträumen der vergangenen Nacht Ablenkung und Ruhe zu finden hoffte. Dreimal träumte sie von Feuer und Tod, und wenn sie erwachte, wußte sie nicht, ob das, was sie gesehen hatte, nur eine unbedeutende Vision gewesen war oder ob es sich dabei um einen vagen Blick in die Zukunft handelte.

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