Das Erbe der Vryhh
setzte. Hyaroll hat das ganze Anwesen abgeriegelt. Es gab keine Person, die er ausreichend mochte, um ihr die Domäne zu überlassen. Dieser verfluchte Dickschädel - jetzt hängen wir in der Luft.«
»Ach, wen sehe ich denn da? Das Halbblut, das Stück Dreck.
Du hast also tatsächlich den Weg hierher gefunden.«
Aleytys drehte sich langsam um und versuchte, die Gefühlswoge aus Furcht und Wut unter Kontrolle zu halten, die sie beim Klang der dunklen und volltönenden Stimme durchtoste - einer Stimme, die sie nur einmal bei vollem Bewußtsein, während ihrer Alpträume jedoch tausendmal gehört hatte.
Kell war noch immer dürr. Doch jetzt handelte es sich um eine gesunde Schlankheit, nicht die Auszehrung, die ihm auf Singarulingu zu eigen gewesen war. Damals hatte er wie ein wandelndes Skelett ausgesehen, über dessen bleiche Knochen sich faltige und pergamentene Haut spannte. Und damals hatte sie ihn von der Krankheit geheilt, die ihn langsam dem Tode entgegentrieb, Aus seinem Lächeln wurde eine Grimasse, als sie sich Zeit nahm, um ihn zu mustern; jener abschätzende Blick erinnerte ihn zu deutlich an das, was er gewesen war, an ihr Verhalten. Aleytys spürte das Fieber in ihm, das Verlangen, die Reminiszenzen an seine Schwäche zu verdrängen, doch sie war nicht bereit, es mit seinem Zorn aufzunehmen. Oder mit ihrem eigenen. Noch nicht.
»Wie du siehst«, entgegnete sie zurückhaltend. Sie hörte, wie ihre Mutter nach Luft schnappte, spürte, wie ihre warmen Finger sie an der Schulter berührten. Sie legte ihre Hand auf die Shareems, dankbar für die stumme Hilfe, die sie ihr gewährte.
»Dreckgesicht«, sagte Kell und preßte die Lippen zusammen.
Einige Sekunden lang herrschte angespannte Stille. »Seht sie euch an, ihr alle.« Seine Stimme klang nun heiser, fast hysterisch, und erneut unterbrach er sich und zögerte kurz. Aleytys vernahm gedämpftes Schlurfen, als sich die Vrya näherten. »Seht euch an, was ihr als Vryhh bezeichnen wollt. Wascht das Ding, bis die Sonne zu Asche zerfällt - es wird trotzdem niemals weiß.« Neuerliches Schweigen, eine wütende Stille. »Ich weigere mich entschieden, diesen Abschaum Vryhh zu nennen. Ich bin nicht dazu bereit, niemals.« Pause. »Kampf bis zum Tod, Dreckgesicht.« Stille. »Ich erkläre dir den Krieg. Ich erkläre hiermit, daß du und alle, die dir helfen, Schmutzling, von mir und meinen Verbündeten getötet werden.«
Aleytys holte tief Luft und hielt den Atem an. »Kampf bis zum Tod, Vetter«, erwiderte sie ruhig und monoton.
Kells Gesicht verwandelte sich in eine Fratze, und er warf den Kopf zurück. Aleytys glaubte schon, er würde vor Zorn platzen und sich dazu hinreißen lassen, sie auf der Stelle anzugreifen.
Dann jedoch wirbelte er um die eigene Achse, marschierte davon und verschwand durch den nächsten Ausgang.
Für einige Sekunden nach seinem Abtritt herrschte völlige Stille. Bald jedoch war erstes Murmeln zu vernehmen, und die kommentierenden Stimmen wurden lauter und aufgeregter. Die anderen Vrya machten nun ebenfalls Anstalten, das Mesochthon zu verlassen.
Aleytys hatte das Gefühl, als sei es plötzlich eiskalt geworden, und von den dichten Wolken der Wut in ihr waren nur diffuse Schlieren verblieben. Von einem Augenblick zum anderen hatte sie die ganze Sache satt. Sie empfand die Dummheit der jetzt begonnenen Auseinandersetzung wie eine schwere Bürde, deren Gewicht sie kaum auszuhalten vermochte. »Sieht so aus, als sei die Party vorbei.«
»Ich wußte, es würde schlimm werden, aber Kell …«
»Er ist nun einmal so, wie er ist.«
Shareem öffnete den Mund, schloß ihn wieder und sah sich hilflos um.
Aleytys bewegte die Schultern, schüttelte die Arme und straffte den Rücken. »Was jetzt? Wohin gehen wir nun?«
»Zum Schiff am besten, nehme ich an.« Shareem machte einige Schritte in Richtung eines Ausganges, zögerte dann. »Mein Dom befindet sich in Guldafel, aber er weist praktisch keine Verteidigungseinrichtungen auf … Ich könnte dort nicht einmal eine hungrige Maus abwehren … Bin fast nie da. Ich dachte … ich weiß nicht … Ich dachte, vielleicht könnte Hyaroll uns aufnehmen. Doch er … er ist nicht mehr da. Es tut mir leid, Lee.«
»Er gab mir Synkatas Dom. Warum fliegen wir nicht dorthin?«
»Es ist uns unmöglich, die Domäne zu betreten, solange er nicht eine Zugangsberechtigung für uns in die Sicherheitsautomatik programmiert hat. Dieser verdammte Wirrkopf: Was hat es für einen Sinn, dir einen Dom zu
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