Das Erbe der Vryhh
schmalen Bett aus und fiel in einen tiefen Schlaf.
Lange Streifen aus Glas, die im Wind klirrten, ein seltsames Läuten, das die Benommenheit des Schlafes durchdrang und das Bewußtsein Aleytys’ erreichte.
Sie erwachte langsam.
Eine sanfte und weibliche Stimme, die das Läuten wiederholte: Aleytys, Aleytys, leiste uns beim Essen Gesellschaft. Aleytys, Aleytys, du hast lange genug geschlafen. Aleytys, Aleytys, laß dich von Korray zu uns bringen. Wenn du bereit bist, so betätige den Sensor und ruf sie.
Aleytys drehte sich auf die andere Seite, murmelte schläfrig, rieb sich die Augen. Die Stimme verklang. Eine Zeitlang blieb die junge Frau noch liegen, dann stand sie auf. Während ihres Schlafens hatte jemand - vermutlich Korray - einige lange Gewänder ins Zimmer gebracht und sie über das Fußende des Bettes gelegt.
Aleytys fuhr sich mit der einen Hand durch ihr dichtes und nun mehr zerzaustes Haar und betrachtete die Kleider. Eins war blaugrün, eine Farbe, die fast der ihrer Augen entsprach. Es bestand aus weicher Seide und war eng geschnitten, um die Wölbungen ihres Körpers zu betonen. An der einen Seite zeigte sich ein Schnitt, der bis zum Oberschenkel emporreichte und offenbar ein ungehindertes Bewegen ermöglichen sollte. Tiefer Ausschnitt, lange und lose Ärmel. Aleytys rümpfte die Nase. Der grüne Ton des zweiten Gewandes war so dunkel, daß fast ein Schwarz daraus wurde. Es glitzerte im Glanz sehr feiner Wolle. Ein großzügiger Schnitt, der Rock weit, wie eine zarte Wolke, die ihre Beine umwehte. Das dritte Kleid: weiß, eine Stola, die aus einem delikaten und seidenartigen Material bestand, das sie nicht kannte, schwer genug, um graziös von den runden Broschen herunterzufallen, die an den Schulterteilen angebracht waren. Nett, eine Wahl zu haben. Aleytys sah sich nach der bequemen und ihr inzwischen so vertrauten Schiffskombination um. Doch von wem auch immer ihr die Gewänder gebracht worden waren: Der oder die Betreffende hatte die Kombi offenbar mitgenommen, vermutlich um sie gründlich zu reinigen.
Ein guter Service in diesem Dom - aber ich möchte den Coverall zurück. In einem jener Kleider bin ich wohl kaum dazu in der Lage, zu kämpfen oder die Flucht zu ergreifen.
Sie streckte sich, machte einige Atemübungen und vertrieb auf diese Weise die Trägheit aus ihrem Leib, ohne jedoch die Benommenheit aus ihren Gedanken verdrängen zu können. Sie rieb sich die Augen, massierte sich den Nacken und betrat die kleine Hygienezelle. Eine Weile stand sie mit geschlossenen Augen unter der Dusche.
Ich möchte hier nicht bleiben.
Bernsteinfarbene Augen öffneten sich. >Hier gewiß nicht< erwiderte Harskari in einem Tonfall bitterer Belustigung.
Aleytys drehte das Wasser ab, verließ die Kabine und begann damit, sich mit einem deckengroßen Handtuch abzutrocknen. »Ich meine Vrithian.«
> Willst du fortlaufen? Kell folgt dir bestimmte
»Ich weiß.« Aleytys ließ das Handtuch zu Boden fallen, trat vor den beschlagenen Spiegel und schnitt Grimassen. »Nachher.« Sie kämmte sich das feuchte Haar.
>Warte mit dem Nachher, bis du mit dem Jetzt fertig bist.<
»Oh, welch weiser Rat.«
>Verspotte mich nur. Das ändert nichts daran, daß du noch immer auf der Flucht bist. Es wird Zeit, daß du verharrst und zum Angriff übergehst.<
»Wie denn? Und wo soll ich zuschlagen? Gib mit Zeit, um einen Plan zu entwickeln.«
>Du hast keine Zeit mehr.<
»Loguisse hat mir einen Aufschub gewährt. Einen Tag, vielleicht auch zwei. Und es gelang mir auch, für Grey und Ticutt Zeit zu gewinnen. Kell ist jetzt hier.«
>Shadith müßte inzwischen auf Avosing eingetroffen sein -jener Planet ist ungefähr ebensoweit von Wolff entfernt wie Vrithian<
»Ich weiß.« Ein letztes Mal zog Aleytys den Kamm durchs Haar, betrachtete die einzelnen roten Fäden, die sich dann verfangen hatten, und schleuderte den Gegenstand an die Fliesenwand ihr gegenüber. »Zum Angriff übergehen, ha! Was soll ich denn angreifen? Erwartest du von mir, daß ich Kell in die Enge treibe? Wo?
Dieser Planet ist ziemlich groß, und außerdem handelt es sich auch noch um seine Heimatwelt. Ich habe nur einen einzigen Vorteil: Ich weiß, daß er früher oder später gegen mich vorgehen wird.« Mit der Hüfte lehnte sich Aleytys an das Waschbecken und schloß die Augen. »Ich muß abwarten und kann nur hoffen, daß er irgendwann einen Fehler macht, sich eine Blöße gibt. Ich muß versuchen, mir sein Terrain anzueignen. Aber wie? Ich kann
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