Das Erbe der Vryhh
Er sah aus, als habe er in eine saure Frucht gebissen und könne den Geschmack nicht loswerden. »Was willst du, Loguisse?«
»Du hast Aleytys einen Dom samt Domäne geschenkt und vergessen, ihr eine Zugangsberechtigung zu erteilen«, sagte Loguisse ruhig. »Kell braucht die Verteidigungsbarrieren, auf die du so stolz bist, gar nicht zu überwinden und könnte Aleytys erwischen, während sie versucht, sich Zutritt zu verschaffen.«
Ein ungeduldiges Brummen, ein nervöser Wink mit der einen Hand. »Dann behalte sie doch bei dir.«
»Dazu wäre ich gern bereit. Aber sie möchte fort.«
»Registriere das ID-Muster und schick es mir.«
»Das ist doch absurd.«
Hyaroll starrte Loguisse finster an und kaute auf der Unterlippe.
»Du weißt ja, wo sich der Dom befindet. Wir treffen uns dort. In zwei Stunden lokaler Zeit. Klar?«
»Klar.«
Das Bild auf dem Schirm verblaßte, und Loguisse drehte sich um. »Wir registrieren dich als Zugangsberechtigte bei der Sicherheitsautomatik des Domes, und anschließend kehren wir hierher zurück, Aleytys. In bezug auf den Kephalos mußt du mehr lernen, als Shareem dir mitteilen könnte.«
Shareem lachte und breitete die Arme aus. »Ich habe zuviel Zeit in Außenwelt verbracht. Hör auf Loguisse, Lee.«
Loguisse stand auf. »Komm«, sagte sie. »Deine derzeitige Kleidung genügt völlig. Und Kell wird sich zurückhalten, solange Hyaroll und ich bei dir sind.« Mit langen Schritten hielt sie auf die Tür und die Blase im Innern der Blase zu, die diesen Raum schützte, das Herz des Domes, jenen Bereich, in dem es zwischen Kephalos und Vryhh den intensivsten Kontakt gab. Dort angekommen, wandte sie sich um und wartete ungeduldig auf Aleytys.
Sie passierten die Doppelmembran und gelangten in die Düsternis des Labyrinths. Mit der einen Hand griff Aleytys nach der Loguisses, hielt sich mit der anderen am Arm Shareems fest und ließ sich durch die kurvenreichen Tunnel und Gänge führen.
Nach einiger Zeit erreichten sie ein Gewölbe in der Nähe der abgeschirmten Maschinenanlagen des Domes, eine stille und geschützte Werkstatt, die ein ganzes Stück von der Stelle entfernt war, an der sie den Irrgarten betreten hatten. Offenbar veränderte das Labyrinth Form und Beschaffenheit, gemäß festgesetzten Intervallen, die nur Loguisse bekannt waren. Aleytys hatte befürchtet, es könne ein neuerlicher Strukturwandel erfolgen, während sie noch darin unterwegs waren. Sie spürte Bewegung, gewann den Eindruck, als rückten die dunklen Wände näher, um sie zu zermalmen - obgleich sie weder etwas sah noch hörte.
Sie folgte Loguisse in Richtung des größten Gleiters, und Shareem bildete stumm und niedergedrückt den Abschluß. Ihre Mutter wollte fort von diesem Ort, fort von dem komplexen Stahlparadies, das nur für eine Person geschaffen war. Vor allen Dingen aber hatte sie den Wunsch, zusammen mit Aleytys Vrithian zu verlassen und ins Universum jenseits des Nebels zurückzukehren, in eine unübersichtliche und gefährliche Welt, die jedoch weniger Beschränkungen bereithielt und ein höheres Maß an Freiheit bot. Dort draußen gab es genug Bewegungsspielraum, und sie konnte sich auf ihr Schiff und ihre Fähigkeiten verlassen. Und wenn irgend etwas sie bedrohte oder sie einer bestimmten Sache überdrüssig wurde, flog sie einfach davon und begab sich an einen anderen Ort. Vrithian bedrückte sie, und Kell machte ihr angst. Aleytys wußte das alles und dachte darüber nach, als die Scheibe sie zur Luftschleuse emportrug, und als sie hinabblickte, sah sie Shareem, die ebenfalls den Kopf gesenkt hatte und die Schultern hängen ließ. Ihre Haltung drückte Niedergeschlagenheit aus. Nachdem auch sie die Scheibe betreten und die Schleuse erreicht hatte, legte Aleytys ihrer Mutter den Arm um die Schultern, drückte sie an sich und nahm dann rasch in einem der Passagiersessel Platz. Shareem wirkte erstaunt, lächelte und folgte ihr wortlos.
Synkattas Dom lag an der südlichen Küste Kebelzuilds, war hoch oben auf den Granitklippen errichtet worden, die am Rand eines schmalen Strandes in die Höhe ragten. Weiter unten rollten Wellen in endloser Folge an den Strand. Gischt spritzte über schwarze Felsen hinweg, und der glänzende blaue Ozean erstreckte sich bis zum Horizont und darüber hinaus. Dieses Meer wirkte wilder und ungestümer als das, über das sie nach dem Verlasen des Mesoch-thons hinweggeflogen waren. Vielleicht schien es deshalb aufgewühlter zu sein, weil Loguisse ihm näher war -
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