Das Erbe des Alchimisten
sich sorgen kann.« Er verstummt und fährt dann fort: »Wir müssen ihr frisches Blut besorgen.«
Ich lächle freudlos. »Du meinst, wir müssen Opfer besorgen.«
»Im Augenblick brauchen wir nur Blut. Wir müssen niemanden dafür töten.«
»Fein. Dann geh ins Krankenhaus und kauf welches. Nimm eine unserer Kreditkarten mit, damit du zahlen kannst. Sie sind in meinem Portemonnaie auf dem Küchentisch.«
Ray zuckt zurück. »Ich habe es ernst gemeint, Sita.«
Ich lache bitter auf. »Ich auch. Ich habe einige Erfahrung in diesen Dingen, falls du es vergessen haben solltest. Das einzige Blut, das sie trinken wird, ist warmes von menschlichen Wesen.«
»Ich dachte, du hättest dich manchmal mit Tierblut begnügt.«
»Ich habe ihr das Blut einer Katze angeboten, die ich im Hinterhof gefangen und getötet habe, und sie hat es nicht akzeptiert.«
»Davon hast du mir nichts gesagt.«
»Eine Katze zu töten ist nichts, womit ich gerne prahle, weißt du.«
Ein merkwürdiger Ton schleicht sich in seine Stimme ein, der genau zu seinem Blick paßt. »Du hast über Jahrtausende hinweg Menschen getötet.«
Ich schiebe seine Hand weg und setze mich auf. »Ist es das, was du von mir willst? Soll ich Menschen für sie töten?«
»Nein. Niemand muß sterben. Das hast du mir an dem Tag gesagt, an dem du mich zum Vampir gemacht hast.«
Langsam werde ich wütend. »Zu dem Zeitpunkt, als ich dich zum Vampir gemacht habe, hatte ich übernatürliche Kräfte, über die ich nach Belieben verfügen konnte. Ich konnte ein Dutzend Leute zu mir locken und sie später mit wenig mehr als Kopfschmerzen wieder gehen lassen. Um Kalika frisches Blut zu besorgen, müßte ich töten, und das tue ich jetzt nicht mehr.«
»Jetzt, wo du ein Mensch bist?«
»Ja, jetzt, wo ich ein Mensch bin. Und komm mir jetzt nicht mit der Erinnerung an die Nacht, in der du zurückgekehrt bist und ich diese zwei Männer getötet habe. Das war ein Akt reiner Notwehr, ein Akt der Selbstverteidigung.«
»Und dies dient der Selbsterhaltung«, sagt Ray.
Meine Stimme klingt harsch und ungeduldig: »Wie soll ich jemanden finden, den wir für Kalikas Frühstück nehmen können? Wo soll ich ihn finden? Doch nicht in Whittier.«
»Wie hast du früher deine Opfer gefunden? In Bars? Du bist in Lokale gegangen, um Männer mit zu dir zu locken.«
»Ich habe sie nie mit zu mir genommen.«
Ray zögert. »Aber wir brauchen jemanden, vielleicht auch mehrere Leute, denen wir regelmäßig Blut abnehmen können.«
Ich kichere. »Ja, klar. Und wenn wir sie dann später gehen lassen, bitten wir sie, doch bitte nichts von dem zu erzählen, was sich hier abgespielt hat. Wir müssen ihnen nur klarmachen, daß sie in den Genuß eines einmaligen Erlebnisses gekommen sind.« Empört füge ich hinzu: »Wen immer wir auch herbringen, wir werden ihn letztendlich töten müssen, das ist dir doch klar. Und dazu bin ich nicht bereit.«
»Dann willst du deine Tochter sterben lassen?«
Ich starre Ray an – und suche in ihm den liebevollen jungen Mann, der er einst war. »Was ist bloß mit dir los? Du müßtest doch auf der anderen Seite stehen! Vor der Explosion damals hättest du’s gewiß getan. Wo warst du, als du tot warst? Na? Du hast es mir nie erzählt. Warst du in der Hölle? Hat dir der Teufel ein paar tolle neue Tricks beigebracht?«
Er ist verletzt. »Ich versuche nur, das Leben unserer Tochter zu retten. Laß endlich deine selbstgerechte, wichtigtuerische Attitüde fallen und sieh den Tatsachen ins Auge: Kalika braucht Blut, wenn sie nicht sterben soll. Und wir müssen es ihr beschaffen.«
»Schön, dann geh los und such dir eine junge Frau als Opfer. Du bist attraktiv, und es sollte dir nicht schwerfallen, jemanden zu finden.«
Er schüttelt den Kopf. »Ich wüßte nicht, wie ich das anstellen sollte. Ich habe so etwas noch nie gemacht.«
Ich muß laut lachen. »Bei mir ist es dir jedenfalls gelungen.«
Kalika schreit erneut.
Ray zuckt zusammen, und ein Schatten der Sorge gleitet über sein Gesicht. »Bitte«, sagt er. »Sie ist alles, was wir haben. Und du bist die einzige, die sie retten kann.«
Ich habe keine Lust, noch länger zu diskutieren, also erhebe ich mich und greife mir meinen schwarzen Ledermantel – den Mantel, den ich sonst stets zur Jagd angezogen habe. Während ich zur Tür gehe, sage ich über die Schulter: »Wir waren einmal glücklich miteinander, Ray. Erinnere dich daran, wenn du mich das nächstemal losschickst, damit ich einen Mord begehe.«
7.
Kapitel
Ich fahre etwa
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