Das Erbe des Alchimisten
eine Stunde herum, bevor ich am örtlichen Park anhalte. Hier gibt es einige Plätze für Basketball und Baseball, einen runden Teich, in dem weiße Enten schwimmen, und eine große Rasenfläche, auf der Kinder ihre Drachen steigen lassen. Während ich zwischen dem Teich und den Basketballplätzen sitze, überlege ich, wie ich mein kaputtes, elendes Leben wieder in Ordnung bringen kann.
In den letzten vierundzwanzig Stunden habe ich in Erwägung gezogen, Kalika zu Arturos geheimem Labor zu bringen, wo die Apparaturen, die meine Transformation bewirkt haben, noch aufgebaut sind: die kreuzförmigen Magnete, die langen Kupferplatten, die farbigen Kristalle. Doch mir ist klar, daß der Versuch, Kalika in einen Menschen zu verwandeln, gefährlich ist: Einst experimentierte Arturo mit einem Jungen, Ralph, und das Ergebnis war entsetzlich. Ralph verwandelte sich in einen fleischfressenden Ghoul, und ich mußte ihm mit meinen eigenen Händen das Genick brechen, um ihn daran zu hindern, weiterzutöten. Nein, mir wird klar, daß ich dieses Experiment nicht mit Kalika durchführen kann, jedenfalls nicht, solange ich nicht alle anderen Möglichkeiten genauestens untersucht habe.
Was bedeutet, daß ich menschliches Blut brauche. Sofort.
Ein junger Mann auf dem Basketballplatz schaut zu mir herüber. Ich bin zwar keine Vampirin mehr, aber ich sehe immer noch gut aus. Der Bursche dürfte etwa neunzehn Jahre alt sein. Er hat blondes Haar und ist groß und kräftig gebaut. Letzteres ist wichtig für mich, denn je schwerer er ist, desto größer wird der Blutverlust sein, den er verkraftet. Doch desto schwieriger wird es auch sein, ihn unter Kontrolle zu halten. Aber zu Hause liegt meine Tochter und schreit. Ich habe ihre Schreie noch gehört, als ich mit dem Wagen davonfuhr. Sie klangen in meinen Ohren wie das Echo der Schreie meiner – über die Jahrtausende hinweg – ungezählten Opfer.
Mein Blick trifft den des jungen Mannes, und ich lächle.
Er lächelt zurück. Er ist an mir interessiert – und verloren.
Als das Spiel beendet ist, kommt er zu mir hinüber, um hallo zu sagen.
»Hi«, antworte ich und weise mit dem Kopf in Richtung des Basketballfeldes und seiner Spielkollegen. Ich sitze mit meinem Profil zu seinen Freunden, denn ich will nicht, daß sie mich zu genau sehen. »Du bist ziemlich gut, weißt du das?« wende ich mich an ihn.
»Danke. Mir macht’s einfach Spaß, hin und wieder so zu spielen.«
»Hast du auf der High School gespielt?«
»Ja. Ich bin letztes Jahr fertiggeworden. Und du?«
Ich lache sanft. »Ich war immer zu klein, um Basketball zu spielen.«
Er errötet. »Ich meine, seit wann bist du fertig mit der Schule?«
»Oh, erst seit kurzem.« Ich lege eine wohldosierte Pause ein und schaue ihn dann an. »Wie heißt du?«
»Eric Hawkins. Und du?«
Ich erhebe mich und reiche ihm meine Hand. »Cynthia Rhodes. Kommst du oft hierher?«
»Normalerweise spiele ich woanders. Hier im Park war ich seit Ewigkeiten nicht mehr.«
Das ist gut für meine Pläne. »Und was hat dich ausgerechnet heute hierhergebracht?«
Er zuckt mit den Schultern. »Nichts Besonderes. Ich bin nur ein bißchen rumgefahren.«
Das ist ebenfalls günstig für mich. Es bedeutet, daß die anderen Burschen, mit denen er gespielt hat, keine engen Freunde von ihm sind.
»Das hab’ ich auch getan«, sage ich.
Er schaut in der Gegend herum, bevor er sich traut, seine Einladung auszusprechen. »Hättest du Lust, irgendwo eine Coke mit mir zu trinken?«
»Klar. Ich hab’ nichts vor.«
Wir gehen zu einem Coffee Shop, wo ich mir einen Kaffee bestelle. Seitdem ich menschlich bin, habe ich mich zu einer starken Kaffeetrinkerin entwickelt. Kein Wunder, daß ich hin und wieder unter Schlaflosigkeit leide. Eric bestellt sich einen Hamburger und Fritten. Ich bin froh, daß er sich stärkt, denn er wird Kraft brauchen. Doch als er von sich zu erzählen beginnt, überfällt mich eine große Traurigkeit. Er ist so ein netter Bursche.
»Ich pausiere ein Jahr vor dem College, aber nächstes Jahr werde ich’s angehen«, sagt er. »Ich habe gerade einen Platz zugeteilt bekommen. Ich möchte Medizin studieren; auch mein Vater ist Arzt. Er hat mich ermutigt, in seine Fußstapfen zu treten, seitdem ich denken kann.«
»Warum bist du nicht sofort aufs College gegangen?«
»Ich wollte vorher ein wenig reisen und Geld verdienen. Den Sommer über war ich in Europa, einen Monat davon auf den griechischen Inseln. Warst du auch schon dort?«
Ich nicke, während ich von
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