Das Erbe des Alchimisten
meinem Kaffee trinke. »Ja. Warst du auch auf Delos?«
»Die Insel mit den vielen Ruinen?«
»Ja. Es soll die heiligste Insel in der Ägäis sein. Apollo wurde dort geboren.« Ich senke meine Stimme. »Zumindest laut der Sage.«
»Ja, ich war auch dort. Wann warst du denn in Griechenland?«
»Vor ein paar Jahren.« Ich verstumme, fange seinen Blick – und hasse mich für meine Hinterlist: »Ich bin froh, daß ich heute in den Park gegangen bin.«
Er lächelt scheu und starrt hinab auf seinen Hamburger. »Ja. Als ich dich ganz allein da sitzen sah, hatte ich einfach das Gefühl, dich ansprechen zu müssen. Glaub bitte nicht, daß ich so etwas häufiger mache. Ich bin nicht der Typ, der einfach herumgeht und Mädchen aufreißt.«
»Ich weiß, Eric.«
Wir unterhalten uns noch ein bißchen. Nachdem er aufgegessen hat, blickt er auf seine Armbanduhr. »Oh, jetzt muß ich mich aber beeilen. Mein Dad wartet in der Praxis auf mich. Dienstags und donnerstags nachmittag helfe ich ihm dort ein bißchen.«
Ich fühle Panik in mir aufsteigen, als ich mir vorstelle, mit leeren Händen zu meiner schreienden Tochter zurückzukehren. Also greife ich über den Tisch und lege meine Hand auf seine. »Könntest du mir noch eben einen Gefallen tun?«
»Klar. Um was geht es?«
»Die Sache ist ein wenig unangenehm. Weißt du, mein Ex-Freund verfolgt mich sozusagen. Er ist nicht gewalttätig oder so, aber wenn er mich nach Hause kommen sieht, springt er sofort aus seinem Wagen, stürzt auf mich zu und gibt keine Ruhe mehr.« Ich zögere. »Könntest du mir in deinem Wagen nach Hause folgen? Nur, damit ich sicher sein kann, unbelästigt heimzukommen. – Ich wohne auch nicht weit von hier entfernt«, füge ich hinzu.
»Lebst du nicht bei deinen Eltern?«
»Nein, meine Eltern sind tot. Ich lebe alleine.«
Eric wirkt bestürzt. »Ja, natürlich kann ich dich begleiten. Aber ich kann nicht dableiben.«
»In Ordnung. Wenn du mich nur bis zur Tür bringst.«
Eric scheint überredet, wenn auch nicht ganz überzeugt. Jetzt, als Mensch, fällt es mir schwerer zu schauspielern, und vermutlich bin ich nicht so überzeugend. Er mag mich, aber irgendwie vertraut er mir noch nicht ganz. Ich frage mich, wie ich genau vorgehen soll, wenn es mir gelingt, ihn ins Haus zu lotsen.
Unglücklicherweise steht Paula vor unserem Haus, als ich meinen Wagen vorfahre und parke. Ich winke ihr und renne dann rasch zu Erics Wagen zurück, der noch am Anfang der Straße ist. Ich frage ihn, ob er noch eine Minute warten kann, aber er will so schnell wie möglich zu seinem Vater in die Praxis.
»Er wird ziemlich wütend, wenn ich nur ein paar Minuten zu spät komme«, erklärt er.
»Ich bin dir wirklich dankbar, daß du mir bis hierhin gefolgt bist«, sage ich, »aber irgendwie mache ich mir trotzdem noch Sorgen, daß sich mein Ex hier in der Nähe herumtreibt.«
Eric weist mit einer Kopfbewegung auf Paula, die geduldig auf mich wartet. »Und wer ist sie?«
Ich stoße verächtlich die Luft aus – und schäme mich für das, was ich antworte: »Ach, sie ist irgendein schwangeres Mädchen, daß hin und wieder bei mir halt macht, um Geld zu betteln. Wenn ich sie nicht auf der Stelle loswerde, bleibt sie den ganzen Nachmittag.« Ich berühre vorsichtig seinen Arm. »Bitte bleib. Gib mir nur noch zwei Minuten.«
Eric zögert. »Okay«, meint er schließlich.
Paula schenkt mir ein herzliches Lächeln, als ich zu ihr hinübergehe. »Was machst du hier?« frage ich.
»Ich habe mich um dich gesorgt. Schließlich habe ich so lange nichts von dir gehört.« Paula betrachtet mich, und ich weiß genau, daß ihr kaum etwas entgeht. »Warst du krank? Du bist so blaß.«
»Ich hatte eine ziemlich üble Grippe. Im Augenblick habe ich allerdings wenig Zeit. Der Bursche im Wagen – er ist der Bruder meines Freundes – steckt in ziemlichen Schwierigkeiten. Was es ist, kann ich dir jetzt nicht erklären. Jedenfalls braucht er meine Hilfe.«
Paula zögert. »Ja, dann gehe ich wohl am besten. Ich wollte ohnehin nur einen Spaziergang machen.«
Sie blickt hinüber zu Eric. »Bist du sicher, daß alles in Ordnung ist?«
»Ja, ganz sicher.« Ich zeige auf ihren gerundeten Bauch. »Dauert nicht mehr lange, oder?«
Paula strahlt. »Nein. Nur noch drei Wochen.«
»Toll.« Ich weise auf die Haustür. »Hast du schon geklopft? Hast du mit Ray gesprochen?«
»Ich habe geklopft, aber niemand hat geöffnet.«
»Oh.« Merkwürdig, schließlich ist Ray fast immer zu Hause. Und gerade jetzt, wo ich nicht da
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