Das Erbe des Alchimisten
bin, um mich um Kalika zu kümmern. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er sie mit nach draußen genommen hat. Aber vielleicht ist Kalika trotzdem der Grund, warum er nicht geöffnet hat. Ich kann weder ihre noch seine Stimme drinnen hören. »Wir werden uns bald mal treffen, Paula«, füge ich hinzu, »ich verspreche es. Wir müssen demnächst mal zusammen zu Mittag essen.«
Paula lächelt gütig, während sie vorsichtig die Stufen hinabsteigt. »Paß auf dich auf. Ich werde an dich denken.«
»Danke. Schließ mich in deine Gebete ein.«
»Das tue ich immer, Alisa.«
Damit geht sie, und ich bedeute Eric, zu mir zu kommen. Er parkt in der Einfahrt und nähert sich mir widerstrebend. Er spürt irgend etwas, möglicherweise ist meine Ausstrahlung negativ. Mir schießt durch den Kopf, daß ich seinen Wagen schnellstmöglich wegfahren muß, bevor er noch irgendeinem Nachbarn auffällt. Ich fingere nach meinen Schlüsseln, ganz so, als wäre ich nervös. Und tatsächlich bin ich das auch, denn ich kann mir ganz und gar nicht vorstellen, wie ich es schaffen soll, Eric weh zu tun. Ich muß aufpassen, daß ich die Situation unter Kontrolle behalte.
»Manchmal klettert mein Ex durch ein Hinterfenster ins Haus«, erkläre ich, während ich den Schlüssel ins Schloß stecke.
»Du solltest die Fenster auf jeden Fall verschließen«, murmelt Eric.
»Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?« frage ich, als wir eintreten. Ein schneller Blick in alle Richtungen läßt mich weder Ray noch Kalika entdecken. Vielleicht hat er sie tatsächlich ein bißchen an die frische Luft gebracht. Eric bleibt neben der Tür stehen.
»Ich muß mich wirklich auf den Weg machen«, wiederholt er.
»Zumindest eine Limonade mußt du vorher noch trinken«, halte ich ihn auf. »Ich habe sie heute morgen frisch gemacht. Ich bin dir wirklich sehr dankbar, daß du all dies für mich tust.«
Eric spürt, daß er in der Falle sitzt. »Na gut, aber nur ein kleines Glas«, murmelt er widerstrebend.
Tatsächlich habe ich morgens Limonade gemacht – aus Konzentrat. Ich schenke zwei Gläser voll und kehre damit ins Wohnzimmer zurück. Meine Zweifel bezüglich Rays Vorhaben wachsen. Es war gut, daß Ray sich nicht in der Nähe befand, als ich Eric ins Haus gelockt habe, aber jetzt, wo es darum geht, Eric k.o. zu schlagen, könnte ich Rays Hilfe gut gebrauchen. Schließlich bin ich ein fünfundfünfzig Kilo schweres Mädchen, das gerade ein Kind geboren hat, und damit nicht gerade ein Kraftprotz. Eric nimmt sein Glas, und ich proste ihm zu. Dann trinkt er.
»Schmeckt gut«, murmelt er.
»Danke. Wir haben ein paar Zitronenbäume im Hof hinter dem Haus.«
»Und die tragen um diese Jahreszeit Früchte?«
Ich lächle. »Nein, aber im Sommer.«
Eric leert sein Glas und setzt es auf dem Beistelltisch ab. »Wie gesagt, mein Dad wartet. Laß uns demnächst weiterreden. Es war schön, dich kennenzulernen.«
Im nächsten Moment zucke ich zusammen. »Hast du das gehört?« frage ich mit ängstlicher Stimme.
Eric ist verwirrt. »Was?«
Ich deute in Richtung Flur. »Ich glaube, er ist hier.«
Eric runzelt die Stirn. »Ich hab’ nichts gehört.«
Ich bin die personifizierte Angst. »Würdest du nachgucken gehen? Nur, damit ich mich sicher fühlen kann.«
»Cynthia, wirklich. Ich glaube nicht, daß außer uns jemand im Haus ist.«
Ich schlucke ängstlich. »Bitte! Es ist entsetzlich, wenn er mir auflauert. Und allein schaffe ich es nicht, ihn loszuwerden.«
Eric schaut Richtung Flur. »Bist du sicher, daß er nicht gewalttätig wird? Warum um Himmels willen bricht er bei dir ein?«
»Er ist nicht gewalttätig, ich werde ihn nur nicht los. Ich hoffe, daß ich mir die Geräusche eben nur eingebildet habe.«
Eric geht in den Flur. Ich folge ihm dicht auf den Fersen, völlig geräuschlos. Selbst als ein Mensch bewege ich mich noch immer lautlos wie eine Katze. Während er nach der Klinke der Schlafzimmertür auf der linken Seite greift, hole ich mit dem rechten Fuß aus und treffe ihn am rechten Knie. Es gibt ein unangenehmes Geräusch – die Stelle ist ziemlich empfindlich. Mit einem Schmerzensschrei sackt Eric auf die Knie. Bevor er sich erholen kann, hole ich mit links aus und erwische ihn an seiner linken Schläfe. Der Schlag lähmt ihn, aber macht ihn nicht bewußtlos. Voller Ekel vor mir selbst schlage ich erneut zu, diesmal auf seine rechte Schläfe. Ich lege alle Kraft hinein, so daß meine Hand schmerzt. Eric, der noch immer auf Knien sitzt, schwankt bedenklich. Doch noch
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