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Das Erbe des Alchimisten

Das Erbe des Alchimisten

Titel: Das Erbe des Alchimisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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wieder, im Inneren der St. Andrews Kirche. Es ist unglaublich, wie viele Kirchen durchgehend geöffnet sind. Das Kerzenlicht, das ich sehe, als ich eintrete, erfüllt mich mit Wärme. Obwohl ich an Krishna glaube, habe ich Jesus stets respektiert, sogar im Mittelalter, als die Katholische Kirche mich als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrennen wollte. Ich und eine Hexe? Nein, ich bin ein Vampir! Beinah hätte ich ihnen das damals erzählt, aber gerade rechtzeitig ist mir noch eingefallen, daß die Katholische Kirche noch nie Sinn für Humor hatte.
    St. Andrews ist angenehm stickig. Der Duft von Weihrauch und Kerzen erfüllt das Kirchenschiff, als ich in der dritten Reihe Platz nehme und auf die befleckten Fenster starre, durch die um diese Nachtzeit kein Licht fällt. Eine Statue der Muttergottes steht ganz in der Nähe, und Dutzende roter Kerzen flackern zu ihren Füßen. Ich habe während der letzten zweitausend Jahre keine einzige Kerze für die Madonna angezündet, aber jetzt verspüre ich einen starken Wunsch danach. Doch ich werde nicht zu ihr beten oder sie um Hilfe bitten. Ihr eigener Sohn wurde gekreuzigt, ohne daß sie etwas dagegen tun konnte; warum sollte sie also gerade mir helfen können? Trotzdem fühle ich mich ihr nah, und deswegen werde ich ihr meine Achtung erweisen. Außerdem mag ich Kerzen – wie jede Art von Feuer.
    Ich habe gerade ein paar Dochte angezündet, als ich rechts von mir Schritte höre.
»Alisa?«
Ich lächle, als ich mich umwende. »Paula. Was tust du hier um diese Zeit? Beten?«
Sie ist glücklich, mich zu sehen. Sie drückt mich an sich, soweit ihr gerundeter Bauch das zuläßt. »Nein, ich habe noch ein wenig in der Buchhaltung der Schule gearbeitet. Ich konnte nicht schlafen. In die Kirche bin ich nur gekommen, weil ich ein Auto davor gesehen habe, von dem ich dachte, daß es deins sein könnte. Warum bist du hier?«
Ich weise auf die Madonna. »Ich beichte.«
»Dafür brauchst du einen Priester.«
Ich schüttele den Kopf. »Ich glaube nicht, daß es irgendwo auf dieser Welt einen Priester gibt, der es ertragen könnte, die Liste meiner Sünden zu hören.«
»Unfug. Die Geistlichen müssen sich schließlich alles mögliche anhören. Niemand von uns hat etwas wirklich Einzigartiges zu beichten. Vermutlich hört sich für die Priester nach einer Weile alles gleich an.«
»Da kann ich dir nicht zustimmen. Für meine Beichte würde man mir wahrscheinlich die absolute Rekordbuße auferlegen.« Ich verstumme, als mich die Erinnerung überflutet. »Ich kannte einmal einen katholischen Priester, bei dem ich gebeichtet habe. Vermutlich waren es meine Geständnisse, die ihn später verrückt haben werden lassen.«
Paula überlegt, ob ich das wohl ernst meine oder ihr einen Bären aufbinde. »Wie war sein Name?«
»Arturo. Er war Italiener. Ich habe ihn vor langer Zeit in Florenz kennengelernt. Aber das ist eine Geschichte, die jetzt nicht hierhergehört. – Ich bin froh, dich zu sehen. Wie geht es dir?«
Paula strahlt. »Wunderbar. Wenn ich nicht solche Probleme mit dem Schlafen hätte, würde ich kaum merken, daß ich schwanger bin.«
»Das ist schön, ich freue mich für dich.« Ich schaue auf das große Kruzifix vor uns und senke die Stimme. »Wirklich.«
Paula berührt meinen Arm. »Irgend etwas ist nicht in Ordnung, stimmt’s?«
Ich nicke und betrachte die Jesusfigur. Wie Christus sich damals wohl gefühlt hat, als er seine große Macht nicht zeigte und sich ans Kreuz schlagen ließ. Irgendwie fühle ich mich ihm dadurch sehr nah. Auch ich durfte in den fünftausend Jahren meines Lebens meine Macht nur selten zeigen – und wenn, dann hatte das meist schlimme Folgen.
Dann denke ich daran, wie Krishna getötet wurde, niedergestreckt vom Pfeil eines Jägers, der ihn mit einem Tier verwechselt hatte, getroffen in die Ferse, das einzige Teil seines Körpers, das so verwundbar war. Auf die Art und Weise wurde die Legende von Achilles geboren, nicht in Griechenland, sondern in den tiefen Wäldern Zentralindiens. Es ist unmöglich für mich, Jesus anzusehen und nicht an Krishna zu denken. Wenn ich ehrlich bin und die religiösen Dogmen beiseite lasse, glaube ich ohnehin, daß sie beide ein und dieselbe Person waren. So universell, daß sie jedermann sein konnten – und gleichzeitig niemand. Wie Kali, Mutter Kalika.
Wer ist meine Tochter? Was ist sie?
»Etwas ist nicht in Ordnung«, sage ich zu Paula.
»Was ist es? Vielleicht kann ich dir helfen.«
»Nein, danke. Niemand kann mir

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