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Das Erbe des Alchimisten

Das Erbe des Alchimisten

Titel: Das Erbe des Alchimisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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helfen.« Ich deute auf die leeren Bankreihen. »Könnte ich hier wohl ein Weilchen sitzenbleiben? Ich muß nachdenken, überlegen. Ich glaube, daß es mir helfen wird, klarer zu sehen, so daß ich entscheiden kann, was zu tun ist.«
Paula küßt mich auf die Wange. »Bleib, solange du willst. Ich werde die Türen schließen, wenn ich gehe, aber du wirst sie jederzeit von innen öffnen können. Hier drin bist du sicher.«
Ich lächle schwach. »Danke, du bist eine wirkliche Freundin. Irgendwann, wenn die Dinge sich beruhigt haben, müssen wir uns über alles unterhalten.«
Paula sieht mir tief in die Augen. »Ich freue mich auf das Gespräch.«
Nachdem sie gegangen ist, lege ich mich auf eine Bank, rolle mich wie ein Embryo zusammen und schließe fest die Augen. Ich kann am besten meditieren, wenn ich nicht wach bin, wenn ich Gott erlaube, zu meinem Unterbewußtsein zu sprechen. Und obwohl ich mich in einer katholischen Kirche befinde, bete ich darum, daß Krishna mich im Traum heimsucht.
    11.
Kapitel
    Die Szene ist die gleiche wie immer. Es muß so sein, denn sie ist für die Ewigkeit gemacht. Nur auf diese Weise kann der Dialog mit dem Allmächtigen stattfinden.
    Ich stehe auf einer grasbewachsenen Ebene, die von sanft abfallenden Hügeln umgeben ist. Es ist Nacht, trotzdem ist der Himmel hell. Hunderte von Sternen funkeln daran. Die Luft ist warm und duftet. In der Ferne bewegt sich ein Strom von Leuten auf eine Art Raumschiff zu. Das Schiff ist violett; helle Strahlen, die den Himmel erleuchten, gehen von ihm aus. Ich weiß, daß ich eigentlich längst in diesem Schiff sein sollte. Doch bevor ich gehe, muß ich noch etwas mit Lord Krishna besprechen.

Er steht neben mir auf der Ebene, seine goldene Flöte in der rechten Hand, eine rote Lotusblume in der linken. Wie mein Gewand ist auch seins einfach – ein langes blaues Hemd, das bis zum Boden reicht. Doch um seinen Hals trägt er einen Juwel – den funkelnden Kaustubha-Edelstein, in dem das Schicksal jeder Seele gesehen werden kann. Er schaut nicht mich an, sondern das riesige Schiff – und die Sterne am Himmel. Er wartet darauf, daß ich zu reden beginne, ihm antworte, aber aus irgendeinem Grund kann ich mich nicht daran erinnern, was er zuletzt gesagt hat. Ich weiß nur, daß ich so etwas wie ein Sonderfall bin. Da ich nicht weiß, wie ich antworten soll, sage ich das, was mich am meisten beschäftigt.
    »Wann werde ich dich wiedersehen, mein Herr?«
    Er weist auf die weite Ebene, auf die Sterne am Himmel. »Diese ganze Schöpfung ist wie der Ozean, aufgewühlt an der Oberfläche, ruhig in den Tiefen. Und wie im Ozean suchen die Kreaturen, die hier leben, stets nach der Bedeutung, dem letzten Grund.« Er lächelt über die Ironie seiner eigenen Worte. »Der Fisch sucht im Ozean nach Wasser, denn er hat schon so viel darüber gehört. Aber er findet es nicht, und deswegen sucht er beständig weiter.« Er macht eine Pause und fährt dann fort: »Ich bin überall in der Schöpfung zu finden. Es gibt nichts, in dem ich nicht bin. Warum sprichst du also von Trennung?«
    »Weil ich fürchte, mein Herr, daß ich dich vergessen werde, wenn ich in diese Schöpfung Einlaß finde.«
Er zuckt mit den Schultern, denn er sorgt sich nicht. »Das ist anzunehmen. Du lernst, indem du vergißt, was du einst wußtest. Wenn du dich dann daran erinnerst, ist es um so süßer.«
»Wann wirst du zur Erde kommen?«
»Wenn man mich am wenigsten erwartet.«
»Werde ich dich wiedersehen, mein Herr?«
»Ja, zweimal. Zu Beginn des Kali Yuga und zum Ende des Zeitalters.« »Werde ich dich erkennen?«
»Zuerst nicht, jedenfalls nicht mit den Sinnen. Aber innerlich wirst du mich erkennen.«
»Wie werde ich dich erkennen?«
Er sieht mich an, und seine Augen sind wie ein Wunder, wie Fenster zum Kosmos. Die Zeit verliert ihre Bedeutung. Das ganze Universum scheint sich zu drehen, während ich ihn anblicke. Ich sehe Tausende von Menschen, Millionen von Sternen, so viel Leben, das um kleine Freuden kämpft, so viele Illusionen, die in Bitternis und Enttäuschung enden. Doch dann färbt sich alles rot und anschließend schwarz, als das Blut der Leute erkaltet und die Feuer der Kali die Galaxis zu Asche verbrennen. Aber nichts davon beunruhigt den Herrn der Ewigkeit, denn er blinzelt noch nicht einmal, während mich die entsetzliche Großartigkeit dieser Vision dazu zwingt, mich abzuwenden. Was ich sehe, nimmt mir den Atem.
»Lord Krishna«, bete ich überwältigt, »nimm meine Seele jetzt.

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