Das Erbe des Alchimisten
ihrem gleichmäßigen Atem, während ich auf den Freeway fahre und Bills Jaguar ins Tal folge. Er hat geschwindelt: Er fährt wie ein Wahnsinniger.
Mein Plan ist einfach. Ich werde ihn k.o. schlagen, sobald wir im Haus sind, und ihn dann in meinen Kofferraum verfrachten. Er hat auf mich gewirkt, als habe er schon einigen Alkohol intus, und das dürfte die Sache für mich leichter machen. Er wird kaum bemerken, daß ich ihn ins Reich der Träume befördere.
Kalika schläft noch immer, als wir bei Bill ankommen.
Ich lege meine Waffe ins Handschuhfach.
Verglichen mit seinem protzigen Wagen ist Bills Haus eher bescheiden. Die Platten in der Einfahrt müßten erneuert werden, der Garten ums Haus wirkt vernachlässigt. Er wohnt in einer Sackgasse. Während ich auf der Straße parke, verschwindet sein Wagen in der Garage. Im nächsten Augenblick ist er wieder draußen und winkt mir zu. Ich vergewissere mich, daß Kalika ruhig schläft, dann steige ich aus und gehe zu Bill hinüber, der sich offensichtlich auf eine aufregende Nacht freut. Das Grinsen auf seinem Gesicht wirkt wie das eines Sechzehnjährigen. Ich bin nicht überrascht, als er mich küßt, kaum daß wir die Haustür geschlossen haben. Er schmeckt süß nach den Cocktails, die er getrunken hat, und seine Hände sind vor Aufregung ein bißchen feucht. Er preßt mich an die Wand, und ich muß den Kopf zur Seite wenden, um Luft zu bekommen.
»Nicht ganz so schnell, Bill«, protestiere ich. »Du hast mir noch nicht mal das Haus gezeigt. Und wo ist das Klavier?«
Er starrt mich mit einem merkwürdigen Glitzern in den Augen an. »Ich habe kein Klavier.«
»Was willst du damit sagen? Du hast mir erzählt, dein Onkel…«
»Ich habe keinen Onkel«, unterbricht er.
Gleich darauf rieche ich es. Der Geruch ist so schwach, daß er den meisten gar nicht auffallen würde, aber mir ist er wohlbekannt. Ich brauche keinen übermenschlichen Geruchssinn, um ihn zu identifizieren. Irgendwo in diesem Haus, vielleicht unter seinem Bett, vielleicht unter den Fliesen im Badezimmer, befinden sich ein oder mehrere Leichen. Nach einem Blick in Bills Gesicht tippe ich darauf, daß es mehrere sind. Ich verfluche mich selbst dafür, so leichtsinnig gewesen zu sein und alle Vorsichtsmaßnahmen außer acht gelassen zu haben. Als ein Vampir hätte ich ihm vermutlich sofort angemerkt, daß er lügt.
Ich achte darauf, daß sich meine plötzlichen Erkenntnisse nicht in meinem Gesichtsausdruck widerspiegeln.
»Ist schon in Ordnung, Billy«, sage ich. »Ich kann ohnehin nicht Klavier spielen.«
Er grinst erfreut. »Du hast mich angelogen?«
»Wir haben einander angelogen.«
Ich höre ein kurzes metallisches Klicken. Das Geräusch ist mir vertraut: eine Messerklinge, die aufspringt. Sein rechter Arm zuckt vor. Er ist mir jetzt sehr nahe, vielleicht zu nah. Ich versetze ihm einen Stoß vor die Brust und ziehe meine rechtes Knie hoch, bis es seinen Unterleib trifft. Aber Bills Eier müssen förmlich aus Stahl sein. Mein Stoß überrascht ihn, aber scheint ihm keine besonderen Schmerzen zu verursachen. Die Messerklinge in seiner Hand nähert sich weiter meiner Kehle. In letzter Sekunde gelingt es mir, mich zur Seite zu werfen und ihr zu entkommen. Einen Augenblick lang bin ich frei, doch die Messerspitze streift meine linke Schulter, fährt durch die Lederjacke wie durch Butter und schneidet mir ins Fleisch. Blut schießt aus der Wunde hervor, während ich in die Mitte des Wohnzimmers stolpere.
Hätte ich doch nur meine Pistole mitgenommen!
Bill kommt auf mich zu, das blutige Messer in der rechten Hand, während die linke schützend seine Eier hält. Sein Grinsen ist das eines geistesgestörten Serienmörders.
»Du bist eine verdammte kleine Hure«, sagt er.
Ich greife nach einer Blumenvase und hebe sie über den Kopf. »Stop! Wenn du näherkommst, schreie ich.«
Er lacht. »Meine Nachbarn sind allesamt alt und schwerhörig. Das Haus hier ist absolut schallsicher. Schrei, soviel du willst, Cindy.«
»Mein Name ist nicht Cindy. Genausowenig wie deiner Bill ist.«
Er wirkt überrascht. »Wer bist du dann?«
»Warum sollte ich dir das sagen?«
»Weil ich’s wissen möchte, bevor du stirbst.«
Es gelingt mir, meine Stimme kühl und unbeeindruckt klingen zu lassen. »Ich bin Sita aus der Vergangenheit. Ich bin viel älter, als ich scheine, und ich habe schon viele Schurken wie dich fertiggemacht. Du bist es, der in dieser Nacht sterben wird, wobei mir egal ist, wie du wirklich heißt.«
Er stürmt vor, für
Weitere Kostenlose Bücher