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Das Erbe des Alchimisten

Das Erbe des Alchimisten

Titel: Das Erbe des Alchimisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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ihres Alters und ihrer Größe könnte es mit Billy aufnehmen. Ich spreche langsam und deutlich: »Nein, es ist nicht alles in Ordnung, Liebling.«
»Ich hab’s dir gesagt«, antwortet sie.
Bill zieht das Messer zurück und erhebt sich. Auch er blutet, und er ist über und über mit meinem Blut beschmiert. Er hält das Messer in der rechten Hand, den kleinen Revolver hat er in den Gürtel gesteckt. Das Flackern in seinen Augen spricht Bände. Er wirkt so vertrauenswürdig wie Jack the Ripper höchstselbst. Trotzdem bedeutet er Kalika, näher zu ihm zu kommen, als wäre er der freundliche Weihnachtsmann höchstpersönlich.
»Komm zu mir, Schätzchen«, murmelt er zuckersüß.
Und sie geht zu ihm, langsam, und dabei nimmt sie jedes Detail um sich herum genau auf: das Arrangement auf dem Boden, Billys Position, die Höhe der Decke, die Anordnung der Möbel. Sie bewegt sich genau, wie sich ein erfahrener Vampir vor dem Angriff bewegen würde, das erkenne ich. Die Arme hängen herab, die Beine sind leicht gespreizt, sie achtet akribisch auf ihre Balance. Billy merkt, daß irgend etwas an ihr ungewöhnlich ist. Als sie noch drei Meter von ihm entfernt ist, verschwindet das Lächeln auf seinem Gesicht. Ich beobachte das alles erstaunt und erschrocken gleichzeitig. Einmal mehr spüre ich, wie sehr ich meine Tochter liebe. Ich würde selbst lieber tausend Tode sterben als zulassen, daß ihr etwas geschieht.
»Wie ist dein Name, Schätzchen?« fragt Billy, als sie direkt vor ihm stehenbleibt. Seine Stimme klingt unsicher, was vielleicht auf Kalikas eindringlichen Blick zurückzuführen ist, der förmlich an seinem Gesicht haftet. Kalika legt den Kopf leicht zur Seite und beachtet mich nicht länger.
»Kalika«, sagt sie.
Er runzelt die Stirn. »Was für ein Name ist denn das, Kind?«
»Es ist ein vedischer Name. Er sagt, wer ich bin.«
»Was bedeutet er?« fragt er.
»Er hat viele Bedeutungen, und die meisten davon sind geheim.« Mit einer Handbewegung weist sie in meine Richtung. »Du hast meine Mutter verletzt. Sie blutet.«
Billy seufzt übertrieben unglücklich auf. »Ich weiß, Kalika, und es tut mir leid. Aber deine Mutter hat mich zuerst verletzt. Ich habe mich nur verteidigt.«
Kalika zuckt mit keiner Wimper. »Du lügst. Du bist kein guter Mann. Aber dein Blut ist gut. Ich werde es gleich trinken.« Sie zögert und fährt dann fort: »Du kannst dein Messer und deine andere Waffe jetzt wegstecken. Du wirst sie nicht brauchen.«
Für Bill ist es wirklich eine Nacht der Überraschungen. Er grinst böse und schaut mich an. »Was für einen Unfug hast du diesem Kind beigebracht, Sita?«
Ich zucke mit den Schultern. »Sie sieht zuviel fern.«
Billy grunzt. »Gott, was für eine Familie.« Das Messer noch immer in der Hand, geht er einen Schritt auf meine Tochter zu. »Komm her, kleines Mädchen, ich bringe dich nach nebenan. Ich hab’ hier etwas mit deiner Mutter zu erledigen, das keinen Aufschub duldet. Aber wenn du schön brav bist, werde ich dich bald zu mir zurückholen.« Damit streckt er seine freie Hand aus. »Komm, gib mir die Hand.«
Kalika streckt unschuldig den Arm aus und tut, was er sagt. Sie läßt sogar zu, daß sich seine Finger um ihre kleinen Glieder schließen. Aber dann, in einer Bewegung, die für das menschliche Auge fast zu schnell ist, ergreift sie seine andere Hand, dreht sein Handgelenk in einen schmerzhaften Winkel und rammt ihm sein eigenes Messer in den Bauch – bis zum Anschlag. Ein Ausdruck der Überraschung und des Schmerzes gleitet über Billys Gesicht, als er an sich hinabstarrt, um zu sehen, was sie ihm angetan hat. Langsam, wie im Traum, läßt er den Griff des Messers los. Mir wird klar, daß sein rechtes Handgelenk gebrochen sein muß. Blut strömt über seine Hose, und Kalika lächelt erfreut, als sie das sieht.
»Ich bin hungrig«, sagt sie.
Billy ringt nach Luft. Jetzt endlich scheint er zu begreifen, daß er in Todesgefahr schwebt, daß es vielleicht schon zu spät ist. Er nimmt alle Kraft zusammen und schlägt in Richtung von Kalikas Kopf. Aber sie steht nicht mehr da, wo sie noch eine Sekunde zuvor gestanden hat, und er verfehlt sie. Sie ist ganz und gar meine Tochter. Zweimal holt sie mit dem rechten Fuß aus, an dem sie einen winzigen schwarzen Schuh trägt, und der Knorpel in seinen Gelenken birst. Er stürzt auf seine zertrümmerten Knie und stößt einen Schmerzensschrei aus.
»Wie kannst du mir so etwas antun?« schluchzt er.
Kalika tritt zu ihm, faßt in sein Haar und

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