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Das Erbe des Alchimisten

Das Erbe des Alchimisten

Titel: Das Erbe des Alchimisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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verzweifelt, und mir fällt nicht ein, wie ich mich aus ihr befreien könnte. Mit einem Nylonband fesselt er meine Hände auf meinem Rücken. Auch jetzt noch, als Mensch, kann ich mich normalerweise von jeder Fessel befreien, aber er erschwert mir die Sache, indem er mehrere Knoten übereinander macht. Als er fertig ist, kniet er sich vor mir hin und holt sein Messer. Mit der Spitze gleitet er spielerisch durch mein Haar, um meine Augen und schließlich sogar über das Weiße darin. Ich wäre nicht überrascht, wenn er meine Augen herausreißen und sie essen würde.
»Du bist sehr schön«, sagt er.
»Danke.«
»Alle meine Mädchen waren schön. Ich zerlege nur schöne Mädchen.«
Ich muß mich beherrschen, ihm nicht ins Gesicht zu spucken. »Warum zerlegst du sie?«
»Um ihnen eine bedeutendere Dimension zu geben. Und ich genieße es.«
»Offensichtlich.«
Er lehnt sich vor, sein Atem streicht über mein Gesicht, während die Messerspitze sich jetzt in meinem rechten Nasenloch befindet. »Weißt du, ich habe noch nie ein Mädchen wie dich getroffen. Du kannst nicht nur kämpfen, du hast auch keine Angst.«
Ich lächle zuckersüß. »Ja, wir beide könnten glatt Partner werden. Warum nimmst du mir nicht die Fesseln ab, und wir reden darüber?«
Er lacht. »Siehst du, genau das meine ich. Du scherzt selbst im Angesicht des Todes noch.« Mit der Messerspitze bohrt er ein bißchen tiefer in meine Nase, sein Lächeln verschwindet. Seine Launenhaftigkeit ist typisch für Serienmörder. »Aber einige deiner Scherze sind überhaupt nicht lustig. Einige ärgern mich. Und ich ärgere mich nicht gerne.«
Ich schlucke hart. »Das kann ich verstehen.«
Er bohrt die Messerspitze fester in meine Nase, und ein feiner Blutfaden rinnt über meinen Mund und die Kehle hinab. Seine Augen sind nur Zentimeter von meinen entfernt, sein Mund ist so nah, daß er mein Blut ablecken könnte, wenn er wollte. Ich fürchte, daß er genau das als nächstes tun wird, und der Gedanke gefällt mir gar nicht. Abgesehen davon schmerzt es, die Messerklinge noch immer so fest in der Nase zu spüren. Doch mir fällt absolut nicht ein, womit ich mich aus dieser Situation befreien könnte. Doch noch mehr als um mich selbst sorge ich mich um Kalika, die draußen im Wagen schläft. In dieser Hinsicht bin ich wirklich eine vorbildliche Mutter. Schließlich war es nur die Liebe zu meiner Tochter, die mich in diese Situation gebracht hat. Krishna wird mich verstehen.
Ich spüre, daß ich ihn bald wiedersehen werde.
»Weißt du, was ich an dir nicht mag?« fragt er. »Du bist eingebildet. In der High School hatte ich mal eine Freundin, die es auch war. Sie hieß Sally und war so unglaublich selbstsicher.« Er verstummt. »Bis sie ihre Nase und ihre Lippen verloren hat. Da war sie es nicht mehr. Ein Mädchen mit nur einem halben Gesicht kann eben nicht mehr so selbstsicher sein.«
Ich verstehe die Warnung und bleibe stumm.
Plötzlich klopft jemand an die Haustür.
Bill schiebt das Messer noch tiefer in meine Nase hinein und zwingt mich damit, den Kopf zurückzulehnen. »Keinen Muckser«, flüstert er. »Du hast immer noch die Wahl zwischen schnell und ganz, ganz langsam sterben. Glaub mir, wenn du jetzt schreist, werde ich mir eine Woche Zeit nehmen, dich zu töten.«
Ich blinzle ihm meine Zustimmung.
Natürlich weiß ich, wer draußen vor der Tür steht. Wieder klopft es.
Bill schwitzt. Offenbar fürchtet er, daß irgendein verdächtiges Geräusch die Wände seiner schalldichten Behausung durchdrungen und ein Nachbar die Polizei verständigt hat. Er kann nur abwarten. Aber er muß sich nicht lange gedulden, denn schließlich öffnet sich die Tür langsam, und ein hübsches, fünfjähriges Mädchen mit schimmerndem dunklen Haar und großen blauen Augen steckt den Kopf herein.
»Mutter«, sagt Kalika, »ist alles in Ordnung?«
Bill ist fassungslos – und endlos erleichtert. Er läßt das Messer ein Stück sinken. »Ist das deine Tochter?« fragt er.
»Ja.«
»Was macht sie hier?«
»Sie ist mit mir hergekommen. Sie hat im Wagen geschlafen.«
»Verflixt, wer hätte das gedacht. Ich wußte gar nicht, daß du eine Tochter hast.«
»Du weißt vieles von mir nicht.«
Ich blicke auf Kalika und frage mich, wie ich mich verhalten soll: Soll ich eine gute Mutter sein und sie auffordern, das Haus zu verlassen, oder soll ich noch einmal versuchen, selbst hier herauszukommen? Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie schnell und wie stark Kalika mittlerweile ist. Ein Vampir

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