Das Erbe des Alchimisten
Mädchen gehalten. Ich wollte mich bloß mit dir unterhalten. Wenn ich damals gewußt hätte, daß du mich verletzen und mir mein Blut abzapfen würdest…«
»Aber ich habe doch aufgehört, dein Blut zu nehmen. Die Dinge ändern sich zum Guten. Bald wirst du deine Mom und deinen Dad wiedersehen. Sie werden so glücklich sein, dich wiederzuhaben. Denk daran, Eric, das wird dich aufrechthalten. Stell dir vor, wie aufregend und spektakulär dein Heimkommen sein wird. Jeder Fernsehsender im Land wird dich interviewen wollen. Du kannst deine Geschichte noch viel dramatischer darstellen, als sie in Wirklichkeit war. Du kannst allen erzählen, daß eine ganze Horde Vampire dich Tag und Nacht gequält und dein Blut für ihre satanischen Rituale benutzt hat. Die Medien werden begeistert sein – Geschichten vom Teufel kommen immer gut an. Du wirst eine richtige Berühmtheit werden, ein Held, und du wirst dich vor Verabredungen nicht retten können. Die Mädchen werden sich förmlich um dich reißen. Helden sind sexy. Du wirst es nicht mehr nötig haben, irgendwelche Mädels im Park anzusprechen.«
Mein aufmunterndes Gerede prallt wirkungslos an ihm ab. Er starrt mich mit seinen blutunterlaufenen Augen an und schnieft. »Selbst wenn du mich gehen lassen wolltest, würde sie es niemals zulassen.«
Ich bin fassungslos. »Wer – sie ?«
»Diejenige, der du mein Blut gegeben hast.«
»Ich weiß wirklich nicht, worüber du redest.«
»Ich habe sie gesehen. Du dienst ihr, ohne es zu wissen. Sie ist kein Mensch. Ich habe ihre Augen gesehen, das rote Feuer darin. Sie trinkt Menschenblut. Sie ist schlecht.« Er nickt und schaut drein wie jemand, der gerade eine göttliche Vision gehabt hat. »Nachdem sie mich getötet und meine Innereien gegessen hat, wird sie auch dich töten und dein Gehirn essen.«
Darauf weiß ich nichts zu antworten.
Ich lege den Hamburger in seinen Schoß und verlasse den Raum.
Ray sitzt im Wohnzimmer. Kalika ist im Hinterhof. Dort hockt sie im Lotussitz und meditiert mit geschlossenen Augen im hellen Sonnenschein. Sie trägt einen einteiligen schwarzen Badeanzug und sitzt auf einem weißen Handtuch in der Mitte des Rasens. Sie bewegt sich keinen Millimeter und scheint nicht einmal zu atmen. Es ist eine neue Angewohnheit von ihr, dies zu tun, aber ich wage mich nicht, sie zu fragen, worüber sie meditiert. Vielleicht über ihren eigenen Namen oder dessen heimliche Bedeutungen. Von ihnen sagt man, daß sie mächtige Mantras seien.
Ray schaut zu mir auf. »Ißt er?«
»Nein.«
»Was sollen wir mit ihm tun?«
Ich lasse mich Ray gegenüber auf dem Sofa nieder. »Keine Ahnung. Ihn gehen lassen.«
»Das können wir nicht. Zumindest nicht jetzt.«
»Dann werden wir es später tun.«
Ray schüttelt den Kopf. »Ich halte das für keine gute Idee. Auf diese Weise werden wir unsere Spuren verwischen müssen. Er wird den Behörden Informationen über uns geben, die sie besser nicht haben sollten. Denk mal darüber nach. Du hast selbst gesagt, daß die Regierung dich möglicherweise noch immer sucht. Was sollen sie denken, wenn sie die Geschichte eines jungen Mannes hören, der von einer hübschen blonden Frau gefangengehalten und seines Blutes beraubt wurde? Sie werden zwei und zwei zusammenzählen, und sie werden zu einer Jagd auf dich anblasen, wie sie das Land noch nie erlebt hat. Vergiß nicht, daß sie immer noch scharf sind auf Vampirblut.«
»Worüber sollte ich deiner Meinung also nachdenken?«
Ray zögert. »Darüber, wie du dich dieses Problems entledigen kannst.«
»Du meinst also, ich sollte Eric töten und im Hof begraben, ist es nicht so?«
»Ich glaube nicht, daß wir ihn dort beerdigen sollten. Aber ja, ich sehe keine Möglichkeit, ihn gehen zu lassen, ohne uns selbst zu verraten.«
Ich lächle ihn an. Doch es ist ein Lächeln, das die Augen nicht erreicht. »Weißt du, was mir gerade eingefallen ist?«
»Was?«
»Ich weiß nicht, wer du bist. Gewiß, du siehst aus wie Ray, du sprichst wie er, und du hast die gleichen Erinnerungen wie er. Aber ich weiß nicht, wer du in Wirklichkeit bist.«
»Sita, rede keinen Unfug. Du mußt den Tatsachen ins Auge sehen.«
»Genau das tue ich ja. Der Ray, den ich gekannt und geliebt habe, hätte mich nie aufgefordert, einen unschuldigen jungen Mann zu töten. Egal, was für Konsequenzen die andere Lösung für ihn selbst gehabt hätte. Die Idee wäre ihm einfach nicht gekommen. Und noch etwas: Ich habe unsere Tochter während der letzten Tage beobachtet, und ich schwöre,
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