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Das Erbe des Atoms

Das Erbe des Atoms

Titel: Das Erbe des Atoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. E. van Vogt
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auf dem Land anzutreten. Dann fuhr er nach Linn und erbat die Erlaubnis des Oberherrn, die seltenen Bücher zu lesen. Der große Mann, dessen Interessen an diesen Dingen mit den Jahren mehr und mehr geschwunden war, gewährte ihm die Erlaubnis – und so betrat Clane in den nächsten Wochen jeden Tag die Palastbibliothek, begleitet von drei Sklaven-Sekretären, und las über den Aberglauben und die Mythen einer geschichtlichen Übergangsperiode. Alle Bücher waren lange nach dem legendären goldenen Zeitalter geschrieben worden, und sie fügten dem, was er bereits wußte, nur wenig hinzu. Aber die Berichte zeigten ihm einen möglichen Weg auf. Ihre Autoren hatten die mündlichen Überlieferungen niedergeschrieben, die durch viele Generationen von den Vätern an die Söhne weitergegeben worden waren. Diese Erzählungen bestärkten ihn in seiner Gewißheit, daß er auf einer Fährte war, die zu noch wertvolleren Entdeckungen als denen führen mochte, die er bereits gemacht hatte.
    Eines Tages, als er während der Lektion aufblickte, um nachzudenken und seine Augen auszuruhen, sah er seine Stiefgroßmutter in die Bibliothek kommen. Er hatte nicht gewußt, daß sie in die Stadt zurückgekehrt war.
    Für Lydia kam das Zusammentreffen genauso unerwartet wie für Clane. Sie hatte beinahe vergessen, daß er existierte, und war nach Linn zurückgekommen, weil der Arzt ihres Mannes geschrieben hatte, daß der Oberherr erkrankt sei.
    Jetzt sah sie Clane zum ersten Mal unter Bedingungen, die seiner Erscheinung günstig waren. Er trug das bescheidene Arbeitsgewand eines Tempelgelehrten, das seine körperlichen Deformationen weitgehend verdeckte. Das feingeschnittene, schöne Gesicht, das sich mit einer bemerkenswert klaren Haut wie Porzellan von dem Stoff seines Gewandes abhob, machte die Frau aufmerksam. Sie hatte den Enkel ihres Ehemannes nie aus der Nähe gesehen, und seine reife, intelligent und vornehm wirkende Erscheinung traf sie wie ein Keulenschlag. Furcht krampfte ihr Herz zusammen.
    Bei den Göttern! dachte sie. Ein weiterer großer Mann. Als ob ich nicht schon genug Mühe hätte, Tews aus dem Exil zurückzuholen.
    Es schien kaum wahrscheinlich, daß die Beseitigung des Mutanten notwendig sein würde, aber wenn sie, Lydia, jemals erreichen wollte, daß Tews das Imperium erbte, dann müßten alle in der Erbfolge vorrangigen Nachkommen in dieser oder jener Weise ausgeschaltet werden. Während sie noch in der Türöffnung stand, ergänzte sie ihre Liste der gefährlichen Angehörigen des kränkelnden Oberherrn um diesen neuen Verwandten.
    Sie bemerkte, daß Clane sie ansah. Sein Gesicht hatte sich verändert, war starr geworden und hatte etwas von seinem guten Aussehen verloren, und das brachte eine Erinnerung an Dinge, die sie über ihn gehört hatte. Daß er leicht aus der Fassung zu bringen war. Dieser Punkt interessierte sie. Sie schritt langsam auf ihn zu, ein dünnes Lächeln auf ihrem vom Alter schlaffen Gesicht.
    Zweimal versuchte er aufzustehen, als sie vor ihn trat. Und beide Male mißlang der Versuch. Alle Farbe war aus seinen Wangen gewichen, und sein Gesicht sah angespannt und verzerrt aus, unnatürlich und aschgrau. Seine Lippen arbeiteten mühevoll, brachten aber nur unverständliche Laute hervor.
    Lydia bemerkte, daß die junge Sklavin, die mit zwei Männern für Clane Bücher heraussuchte, beinahe so aufgeregt war wie ihr Herr. Sie starrte Lydia flehentlich an und keuchte schließlich: »Darf ich sprechen, Euer Exzellenz?«
    Das schockte sie. Sklaven sprachen nicht, es sei denn, sie wurden angeredet. Das war nicht nur eine Regel oder Bestimmung, die von der Laune des jeweiligen Besitzers abhing; es war ein Gesetz des Landes, und jeder konnte eine Übertretung als ein Vergehen melden und die Hälfte der Geldstrafe, die vom Besitzer des Sklaven erhoben wurde, als Belohnung einbehalten. Was Lydia verblüffte, war, daß ausgerechnet sie das Opfer eines so entwürdigenden Vorfalls sein sollte. Sie war so benommen, daß die junge Frau Zeit hatte, fortzufahren: »Ihr müßt ihm vergeben. Er hat gelegentlich Anfälle nervöser Lähmung, und dann kann er weder sprechen noch sich bewegen. Der Anblick seiner erlauchten Großmutter ...«
    Weiter kam sie nicht. Lydia hatte sich gefangen und schnappte: »Es ist bedauerlich, daß nicht alle Sklaven an ähnlichen Behinderungen leiden. Wie kannst du es wagen, mich anzusprechen?«
    Sie brach ab und gewann mit Anstrengung ihre Selbstbeherrschung zurück. Es geschah nicht

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