Das Erbe des Atoms
zornig. »Wieso, der unverschämte Dummkopf, hat er das getan? Laß mich das Päckchen sehen.«
Sie riß wütend die Umhüllung herunter, und dann starrte sie auf eine mit Asche gefüllte Vase. Mit einer Schnur war eine Notiz um den Vasenhals gebunden. Lydia las:
Geehrte Dame!
Ihr Meuchelmörder war zu feucht. Die Götter des Atoms, einmal auferweckt, geraten in der Gegenwart von Feuchtigkeit außer sich.
Uranus,
für den Rat der Götter
Das dumpfe Splittern der Vase auf dem teppichbelegten Boden riß sie aus momentaner Betäubung. Mit großen Augen starrte Lydia auf den kleinen Haufen Asche zwischen den Scherben der Vase. Wie konnte Meerl gescheitert sein? Meerl, der Vorsichtige, der Geschickte, Meerl, der Kühne und Wagemutige?
»Dalat.«
»Ja, gnädige Herrin?«
Lydia hatte sich wieder gefaßt. Mit schmalen Augen und geschürzten Lippen überdachte sie die nächsten Schritte. Sie brauchte nicht lange nachzudenken. »Rufe Oberst Maljan. Sage ihm, er solle sofort zu mir kommen.« Ihr blieb eine Woche, diesen Clane zu beseitigen. Und es war an der Zeit, die Sache offen auszutragen.
Lydia ließ sich zum Fuß der kleinen Anhöhe fahren, auf der die Villa des Prinzen Clane stand. Sie trug einen Schleier und hatte einen alten, ungekennzeichneten Wagen der Hofhaltung genommen. Nun parkte sie unauffällig am Straßenrand und spähte aufgeregt aus ihrem Versteck.
Der Morgen war unnatürlich heiß. Warme Windstöße kamen aus der Richtung des Hauses. Und nach einer Weile sah sie, daß die Soldaten auf halber Höhe haltgemacht hatten. Sie war gerade im Begriff, aus ihrem Wagen zu steigen, als sie Oberst Maljan herüberkommen sah. Der dunkeläugige, hakennasige Offizier schwitzte sichtbar.
»Wir können nicht an diesen Zaun heran. Er scheint in Flammen zu stehen.«
»Ich kann keine Flammen sehen.«
»Es ist nicht die Art von einem Feuer.«
Lydia bemerkte zu ihrer Verblüffung, daß der Mann vor Angst zitterte.
»Da ist etwas Unnatürliches«, sagte er. »Es gefällt mir nicht.«
Sie stieg aus dem Wagen, und ein Vorgefühl der Niederlage erfaßte sie. Sie schüttelte es ab. »Sind Sie ein Idiot?« meinte sie ärgerlich. »Wenn Sie den Zaun nicht überwinden können, dann lassen Sie Männer mit Fallschirmen abspringen, oder setzen Sie Truppen mit Flugzeugen ab.«
»Ich habe bereits welche angefordert«, sagte er, »aber ...«
»Aber!« rief Lydia, und es war wie ein Schimpfwort. »Ich werde selbst hinaufgehen und mir den Zaun ansehen.«
Sie lief davon und machte halt, wo die Soldaten schwitzend am Boden kauerten. Der Gluthauch hatte sie schon unten angeweht, aber an dieser Stelle benahm er ihr den Atem. Es war ein Gefühl, als ob die Luft ihre Lungen versengte. Sie trat hinter einen Busch, doch es half nicht. Sie sah, daß die Blätter sich eingerollt hatten und vertrocknet waren. Sie kehrte zurück, und auf halbem Weg begegnete ihr Oberst Maljan, der zum Himmel hinaufzeigte.
»Die Maschinen«, sagte er.
Die Maschinen kamen langsam und in sehr niedriger Höhe. Sie schienen ein wenig zu schwanken, als sie die Einzäunung überflogen, dann verschwanden sie hinter der Baumkulisse, die Villa und Rasenfläche des Besitzes verbarg. Fünf Maschinen, die nach ihrem dickbäuchigen Aussehen Transporter waren, flogen das Ziel an und schienen hinter den Bäumen zu landen. Lydia stellte fest, daß ihre Ankunft die Infanteristen ringsum erleichterte.
»Sagen Sie den Männern, sie können sich zur Straße zurückziehen«, befahl sie heiser, und dann entfernte sie sich hastig. Die Straße war noch immer fast menschenleer. Einige Passanten waren stehengeblieben und beobachteten die Aktivitäten der Soldaten, doch schienen sie an eine Übung zu glauben und gingen gehorsam ihrer Wege, als die Wachtposten sie zum Weitergehen aufforderten.
Lydia wartete. Kein Geräusch kam von der Anhöhe hinter den Bäumen, wo die Maschinen niedergegangen waren. Es war, als ob sie in einen Abgrund von Stille gestürzt wären. Eine halbe Stunde verging, dann hob sich eine der Maschinen mit knatternden Motoren über die Bäume und kam langsam näher. Lydia hielt den Atem an, als der ungefüge Koloß fünfzig Meter weiter mitten auf der Straße niederging. Eine Tür sprang auf, und ein Uniformierter kam heraus. Oberst Maljan winkte ihm zu und eilte ihm entgegen. Das Gespräch zwischen den beiden Männern war sehr ernst. Nach einer guten Weile wandte sich Oberst Maljan um und kam mit offensichtlichem Widerwillen zu Lydia zurück. Er
Weitere Kostenlose Bücher