Das Erbe des Atoms
steckte den Kopf durchs Wagenfenster und sagte: »Das Haus selbst stellte eine undurchdringliche Hitzebarriere dar. Aber sie haben mit dem Prinzen verhandelt. Er möchte mit Euch sprechen.«
Sie nahm die Nachricht mit einer gespannten Nachdenklichkeit auf. Sie hatte bereits erkannt, daß dieses Unentschieden tagelang andauern mochte.
Aber vielleicht wäre es möglich, sagte sie sich, Verhandlungsbereitschaft vorzutäuschen und ihn dann zu erledigen ...
Es schien ausgezeichnet zu klappen. Der Transporter trug sie auf die Rasenfläche vor der Villa, und Clane stimmte unglaublicherweise zu, daß sie ein Dutzend Soldaten als Wache mit sich ins Haus bringen dürfe; allerdings verlangte er, daß sie ohne Schußwaffen kämen. Beim Betreten des Hauses hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, in der Gegenwart von etwas Unheimlichem zu sein. Niemand war zu sehen, kein Sklave, kein lebendes Wesen. Sie ging in die Richtung des Schlafzimmers, mit jedem Schritt langsamer. Die erste widerwillige Bewunderung kam. Es schien unglaublich, daß seine Vorbereitungen so gründlich gewesen sein konnten, daß er sogar seine Sklaven evakuiert hatte. Und doch paßte es irgendwie zu ihm. Im Umgang mit ihr hatte er noch nie einen Fehler gemacht.
»Großmutter, ich würde nicht näher kommen.«
Sie blieb stehen. Sie war an der Ecke des Korridors angelangt, der zu seinem Schlafzimmer führte. Clane stand am anderen Ende, und er schien allein und waffenlos zu sein.
»Kommt keinen Schritt näher«, sagte er, »oder der Tod wird Euch automatisch treffen.«
Sie konnte nichts Ungewöhnliches sehen. Der Korridor war so, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Nur die Wandbehänge waren abgenommen worden, und die Wände lagen offen zutage. Sie fühlte eine schwache Wärme, unnatürlich und auf eine subtile Weise gefährlich. Es kostete sie Anstrengung, dieses Gefühl abzuschütteln. Sie wandte den Kopf, um den Soldaten das Zeichen zu geben, aber Clane kam ihr zuvor.
»Großmutter, handelt nicht überstürzt, ich bitte Euch. Denkt gut nach, bevor Ihr die Kräfte des Atoms herausfordert. Hat das, was heute geschehen ist, Euch nicht zu denken gegeben? Sicherlich könnt Ihr sehen, daß kein Sterblicher vernichten kann, was oder wen die Götter lieben.«
Die alte Frau machte eine geringschätzige Handbewegung. »Sie haben das alte Sprichwort verfälscht, junger Mann«, sagte sie. »Es heißt: Wen die Götter lieben, den lassen sie jung sterben.«
Er blieb unbewegt vor ihr stehen, weniger als zehn Schritte entfernt, unbewaffnet, ungeschützt, ein schwaches Lächeln auf den Lippen. Sein nervöses Leiden schien vergangen, endgültig überwunden. Sein Gesicht strahlte ruhige Zuversicht aus.
Zuversicht! Konnte es sein, daß es wirklich Götter gab? War es möglich?
»Großmutter, ich warne Euch, macht keine Bewegung. Wenn Ihr Euch überzeugen müßt, daß die Götter mich schützen, dann schickt Eure Soldaten. Aber bewegt Euch nicht selbst.«
Sie fühlte eine plötzliche Schwäche, die ihre Beine wanken machte. Auf einmal überkam sie eine Überzeugung, eine Gewißheit, daß er nicht bluffte. Zugleich erkannte sie, daß es kein Zurück gab.
Nach einem schrecklichen Moment der Unschlüssigkeit trat sie zurück und gab den Soldaten das Zeichen.
Die zwei vordersten sprangen vorwärts, die gezogenen Degen in den Fäusten. Sie kamen nur zwei oder drei Schritte weit, als sie sich aufzulösen begannen. Sie fielen einfach in sich zusammen, wurden zu Staub. Wo sie gewesen waren, regnete es Ascheteilchen, und eine Rauchwolke breitete sich aus. Lydia fühlte den Hitzeausbruch. Die Ausläufer erreichten sie mit einer erstickenden, sengenden Hitze. In ihrer Benommenheit hörte sie die anderen Männer fluchen und durcheinanderrufen, dann rannten sie in Panik hinaus. Eine Tür krachte ins Schloß, und sie war allein. Sie wich ein wenig zurück, denn die Luft im Korridor war noch immer unerträglich heiß. Sie konnte den unheimlichen jungen Mann nicht sehen, darum rief sie seinen Namen.
Die Antwort kam sofort. »Ja, Großmutter?«
»Was willst du?«
»Ein Ende der Angriffe auf mich. Volle politische Zusammenarbeit, aber sie sollte solange wie irgend möglich geheimgehalten werden.«
Sie atmete auf. Sie hatte die Befürchtung gehabt, daß er öffentliche Anerkennung verlangen werde.
»Und wenn ich nicht darauf eingehe?« fragte sie nach einer Pause.
»Tod.«
Er sagte es ganz ruhig. Lydia zweifelte dennoch keinen Augenblick am Ernst seiner Drohung. Er gab ihr eine
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