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Das Erbe des Atoms

Das Erbe des Atoms

Titel: Das Erbe des Atoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. E. van Vogt
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ungläubiger Verzweiflung. Tews stand steif und bleich da, als der Strick um seinen Hals gelegt wurde.
    Der hilflose Zorn, der ihn erfüllte, wurzelte in der Überlegung, daß er nicht hier wäre, wenn er tatsächlich an die Öffnung der Front geglaubt hätte. Er hatte sich darauf verlassen, daß Jerrin seine Streitkräfte vor dem Feind lassen würde, während seine drei Legionen Jerrin entmachteten. Er hatte an Jerrins Ehrlichkeit geglaubt und versucht, ihn zu erniedrigen, um so die rechtmäßigen Würden eines jungen Mannes annullieren zu können, mit dem er die Macht im Staat nicht teilen wollte. Je länger er jetzt darüber nachdachte, desto fester wurde seine Überzeugung, daß Jerrin in Wirklichkeit gegen ihn konspiriert hatte. Als gelte es seine Gedanken zu bestätigen, sah er in diesem Moment eine Gruppe venusischer Anführer näherkommen. Unter ihnen befand sich Clane.
    Der Schock war so groß, daß er seinen Augen nicht trauen wollte. Er starrte auf den schlanken, jungen Mann, und allmählich rundete sich das Bild für ihn ab. Es hatte einen verräterischen Handel zwischen Jerrin und den Venusiern gegeben. Er sah, daß der Mutant das Gewand eines Tempelgelehrten trug. In der Hand hielt er einen ungefähr eineinhalb Meter langen Metallstab.
    Er war im Begriff zu sprechen, doch ehe er etwas sagen konnte, kam Clane ihm zuvor.
    »Euer Exzellenz, laßt uns keine Zeit mit Anschuldigungen vergeuden«, sagte er. »Euer Tod würde den Bürgerkrieg in Linn und auf der Erde erneuern. Das ist das letzte, was wir wünschen, wie wir Euch noch heute abend beweisen werden.«
    Tews hatte sich wieder im Griff. Mit rascher Logik untersuchte er die Möglichkeiten einer Rettung. Es schien keine zu geben. Wenn ein Versuch gemacht würde, mit Raumschiffen Truppen zu landen, brauchten die Venusier bloß an ihren Stricken zu ziehen und die gefesselten Gefangenen zu erdrosseln. Das war ein Manöver, auf das sie unzweifelhaft vorbereitet waren; und weil dies die einzig mögliche Hoffnung war, mußten Clanes Worte unwahr sein.
    Seine Gedanken wurden unterbrochen, denn der venusische Feldherr, ein energisch aussehender Mann von ungefähr fünfzig Jahren, trat vor den Galgen, wo mehrere Megaphone aufgebaut waren, und wandte sich in einer Ansprache an seine Landsleute.
    »Freunde und Mitkämpfer«, sagte er, »an diesem Abend unserer Vergeltung für alle Verbrechen, die von der Invasionsmacht an unserem Volk verübt worden sind, haben wir einen Agenten des kommandierenden Generals der anderen Seite bei uns. Er ist mit einem Angebot gekommen, und ich möchte, daß er es euch allen sagt, damit ihr genauso in sein Gesicht lachen könnt, wie ich es getan habe.«
    Aus der Dunkelheit erhob sich ein aufbrandender Schrei aus tausenden Kehlen: »Aufhängen! Aufhängen!«
    Der dumpfe Aufschrei erschreckte Tews.
    Clane trat vor die Megaphone. Er wartete, bis es wieder still war, dann rief er mit erstaunlich kräftiger Stimme: »Die Atomgötter von Linn, deren Vertreter ich bin, sind dieses Krieges überdrüssig. Ich rufe sie an, daß sie ihm hier und jetzt ein Ende machen!«
    Der venusische Feldherr ging auf ihn zu und wollte ihn von den Megaphonen wegreißen. »Das ist nicht, was Sie sagen wollten«, rief er. »Sie ...« Er brach ab, denn in diesem Augenblick flammte die Sonne auf.
    Mehrere Stunden waren vergangen, seit sie hinter dem wolkigen Horizont versunken war. Aber nun sprang sie plötzlich direkt über ihnen in den Himmel.
    Die Helligkeit eines sonnigen Mittags lag über der Landschaft. Tews sah alle die Pfosten mit ihren angebundenen Gefangenen, die etwa zehntausend Venusier, die weite Ebene mit der jetzt deutlich erkennbaren Hafenstadt in der Ferne – und alles lag im grellen, unnatürlichen Schein einer geisterhaften Sonnenerscheinung.
    Die Schatten begannen am Rande der Ebene. Die Stadt war nur durch die Widerspiegelung des Lichts sichtbar. Die See im Norden und die Berge im Westen und Süden waren wie zuvor in Schwärze getaucht.
    Als er diese Schwärze sah, verstand Tews, daß dies nicht die Sonne war, sondern ein unglaublicher Feuerball, eine Lichtquelle, die durch ihre Nähe der Sonne an Helligkeit gleichkam. Er hatte keine Erklärung dafür. Es mußte so sein, daß die Götter den Ruf beantwortet hatten.
    Ein Schrei aus Tausenden von Kehlen riß ihn in die Unmittelbarkeit des Geschehens zurück. Es war ein schrecklicher Schrei, der seine Kopfhaut prickeln machte; Angst lag darin, und Verzweiflung, und eine abergläubische Furcht.

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