Das Erbe des Atoms
den Worten eines seiner Gefährten zu lauschen. Die Verlagerung seiner Aufmerksamkeit war so auffällig, daß die anderen Mitglieder der Gruppe sofort verstummten. Die plötzliche Stille übertrug sich auf andere Gruppen, und nach einer Minute hatten sich alle Anwesenden umgewandt und starrten sie an. Lydia wartete, flankiert von ihren zwei Bewachern. Czinczar war kein hübscher Mann, aber er hatte ein kraftvolles, energisches Gesicht, das schon dadurch ansehnlich wirkte. Und doch war es irgendwie nicht genug. Diese Barbaren sahen alle kräftig und energisch aus. Lydia, die hervorragende Qualitäten erwartet hatte, stellte sich die Frage, worin dieser Mann sich wohl von seinen Landsleuten unterscheiden mochte.
Seine Gesichtszüge sprachen bei aller Stärke von einer gewissen Sensibilität, die den Gesamteindruck brutaler Stärke abmilderte. Aber das reichte noch nicht hin, die Tatsache zu erklären, daß er der unangefochtene Herr einer enormen, undisziplinierten Bande von Freibeutern und Abenteurern war.
Czinczar ging auf sie zu. »Meine Dame«, sagte er, »Sie wollten mich sprechen.«
Und nun wußte sie, worauf seine Macht beruhte. In ihrem ganzen langen Leben hatte sie noch nie eine so wohlklingende, wundervolle und selbstsichere Baritonstimme gehört. Auf einmal begriff Lydia, daß sie seine Erscheinung nicht richtig beurteilt hatte. Sie hatte nach normaler männlicher Ansehnlichkeit Ausschau gehalten. Dieser Mann aber war schön.
Die ersten Befürchtungen stellten sich ein. Eine Stimme wie diese, eine Persönlichkeit wie diese ...
Sie hatte eine Vision, wie dieser Mann die Bewohner des Landes überredete, seinem Willen zu folgen. Wie er Menschenmengen hypnotisierte. Wie er die führenden Männer und Frauen des Reiches bezauberte. Es bedurfte einer Willensanstrengung, den Bann zu brechen. Sie sagte: »Sie sind Czinczar?«
»Ich bin Czinczar.«
Die Feststellung gab Lydia eine weitere, wenn auch kurze Pause. Aber diesmal erholte sie sich schneller. Die faltigen Lider sanken etwas tiefer über die alten Augen, die den großen Mann kühl und mit aufkommender Feindseligkeit musterten. »Ich kann sehen«, sagte sie spröde, »daß mein Besuch vergeblich sein wird.«
»Natürlich.« Czinczar neigte seinen Kopf ein wenig, zuckte die Schultern. Er fragte sie nicht nach dem Zweck ihres Besuchs. Er schien ohne jede Neugierde. Er stand höflich da und wartete, daß sie vorbringe, was sie zu sagen hatte.
»Bis ich Sie sah«, sagte Lydia grimmig, »ging ich davon aus, daß Sie ein kühner General seien. Nun stelle ich fest, daß Sie sich für einen vom Schicksal bestimmten Mann halten. Ich kann bereits sehen, wie Sie in Ihr Grab hinabgelassen werden.«
Dies hatte ein zorniges Gemurmel von den anderen Männern im Raum zur Folge, doch Czinczar brachte sie abwinkend zum Schweigen. »Meine Dame«, sagte er, »solche Bemerkungen werden von meinen Offizieren als beleidigend empfunden. Bringen Sie vor, was Sie zu sagen haben, und dann werde ich entscheiden, was mit Ihnen geschehen wird.«
»Ich werde mich kurz fassen, da Sie zweifellos hohe Politik und weitere militärische Aktionen planen«, sagte Lydia. »Mein Enkel, Prinz Clane Linn, hat mich zu diesem Besuch veranlaßt.«
»Der Mutant.« Czinczar nickte.
Es schockierte Lydia ein wenig, daß Czinczars Kenntnis der herrschenden Familie sich auch auf Clane erstreckte, der stets im Hintergrund geblieben war. Aber sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Ruhig fuhr sie fort: »Prinz Clane ist ein Tempelgelehrter, und als solcher hat er sich seit vielen Jahren mit humanitären wissenschaftlichen Experimenten befaßt. Der größte Teil seiner Ausrüstung ist unglücklicherweise hier in Linn.« Lydia zuckte mit den Schultern. »Die Sachen sind für Sie und Ihre Männer völlig wertlos, aber es würde ein großer Verlust für die Zivilisation sein, wenn sie zerstört oder versehentlich abtransportiert würden. Prinz Clane richtet daher die Bitte an Sie, daß Sie ihm Erlaubnis gewähren, einige von seinen Leuten zu seinem Stadthaus zu schicken, damit sie diese wissenschaftlichen Instrumente zu seinem Landsitz bringen. Als Gegenleistung wird er Ihnen jeden vernünftigen Preis in Edelmetallen und Juwelen bezahlen, den Sie ihm nennen mögen.«
Ein nachdenklicher Ausdruck lag auf dem Gesicht des Barbarenführers. »Ich habe von Prinz Clanes Experimenten mit dem sogenannten Götterstoff gehört«, sagte er. »Darunter sehr merkwürdige Geschichten. Sobald meine militärischen
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