Das Erbe des Blutes - Roman
Opfer vergeblich den verletzten Brustkorb hob und danach verstummte, blickte er auf sein Perpendikel, um zu sehen, wie spät es war, und zog von dannen, den Schauplatz seiner letzten Tat hinter sich lassend.
Er verließ den Powis Square in Richtung Talbot Road, bog links ab, passierte das ehrfurchtgebietende Gotteshaus All Saints, das sich majestätisch durch den Nebel abzeichnete. Ein einzelner klagender Glockenschlag war zu hören. Hinter sich vernahm er Gemurmel,
einen kurzen scharfen Pfiff. Gott sei Dank, der Nebel verbarg ihn.
Sein Weg führte ihn zur Kreuzung an der Portobello Road, einer Straße, für die er nichts als Abscheu empfand. Sein kleiner Laden hatte Mühe, sich über Wasser zu halten, angesichts der Märkte und größeren Geschäfte, die entlang dieser Straße aufgemacht hatten. Einige Wachmänner gingen verstört dreinblickend an ihm vorbei. Er hastete weiter, seine Hand hielt den Messergriff in der Tasche fest umklammert. Er lief unter der Zugbrücke hindurch, bog nach links ab und ging dann die ganze Pamber Street entlang.
Vollkommene Stille. Aus ihrer kleinen im Dunkeln liegenden Wohnstatt über dem Laden war kein Laut zu hören. Alle schliefen. Seine Gedanken weilten bei den dort oben im warmen Bett Liegenden, die nichts wussten von der Schlechtigkeit der Welt, in die sie hineingeboren worden waren. Diese Welt ist kein Platz für Unschuldige, sagte er sich.
Ganz langsam öffnete er die Tür. Der Geruch nach gekochtem Fleisch vom Abend erfüllte noch das Haus. Während der Mahlzeiten legte er wert auf Ruhe, doch an diesem Abend hatte er nachgegeben und Rebecca erlaubt, ihm von ihrem Tag zu erzählen. Abigail murmelte ein paar Worte. Doch trotz seiner Versuche, eine Konversation zu führen, sagten Jemima und Esau kein Wort. Ihnen schien der Schinken zu schmecken, was ein kleiner Trost war.
Er zog sich rasch die Schuhe aus, nicht jedoch die Jacke.
Diese Welt ist kein Ort für Unschuldige, sagte er abermals zu sich.
Er stellte den Fuß auf die erste Treppenstufe, die unter seinem Gewicht knarzte. Er hielt inne. Es war nichts zu hören. Er ging weiter und legte jeweils nur so viel Gewicht auf den Fußballen wie nötig. Als er sich dem Treppenabsatz näherte, konnte er seine Kinder ruhig atmen hören.
Auf der obersten Stufe tauchte Jemima wie ein Geist auf.
»Segar?«, flüsterte sie.
Er blickte sie an und spürte Mitleid - weiter nichts. Sie hatte ihm drei Kinder geboren, aber im Grunde ihres Herzens war dieses Weib gottlos. Sie betete nur, weil sie wusste, dass er sie mit seinem Zorn verfolgen würde, wenn sie es nicht täte. Eine einfältig lächelnde Kreatur.
»Ja«, antwortete er.
»Bist du hungrig? Wünschst du noch zu essen?«
Er schüttelte den Kopf und stieg auf den Treppenabsatz. Er konnte ihre Seife riechen. Einen Moment lang fühlte er sich in eine andere Zeit versetzt, in ein fernes Land, in dem er Hand in Hand mit ihr durch den Hyde Park promeniert war, die Sonne im Rücken. Sie vor Freude strahlend, er vor Stolz.
Das war eine andere Zeit, sagte er sich. Ich war ein anderer Mensch, damals vor meiner Berufung.
»Nein.«
Er drängte sich an ihr vorbei zur Kammer der Kinder, wo alle in einer Bettstatt schliefen. Er lauschte an der Tür seiner Kleinen. Es war alles still.
Er betrat die Kammer. Hier drinnen war es weniger hell, und er wartete, bis die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann vermochte er Abigail zu erkennen, die auf der linken Seite schlief, einer ihrer Arme hing herunter. Rebecca lag auf dem Rücken, den Kopf auf ein Kissen gebettet. Beide schliefen tief und fest.
Er ging zu ihnen. Abigail drehte sich um und murmelte etwas. Wenn die Zeit gekommen wäre, würde er ihnen das Messer ersparen und einen anderen Weg finden, um sie ins Paradies zu schicken. Der Gedanke, seine geliebten Zwillingstöchter zu verletzen, die einzigen Menschen auf dem Erdenrund, die er gern hatte, die ihn zum Lachen brachten, ihm das Gefühl gaben, ein Teil dieser Erde zu sein, war ihm zuwider. Beide Mädchen waren keck, doch
sie erfreuten sich an der Heiligen Schrift. Im Gegensatz zu Esau. Der ging nur unter Zwang in die Kirche. Der schüchterne Knabe hing fast immer am Rockzipfel seiner Mutter. In den letzten Monaten hatte er dem Vater nicht in die Augen blicken können, zu groß war seine Angst vor dem, was er dort sah.
Aber wo war er jetzt? Er sah auf beiden Seiten der Bettstatt nach. Er lag nicht, wie zuweilen, auf dem Fußboden, um den um sich schlagenden Armen und
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