Das Erbe des Blutes - Roman
ihn in einen Nebenraum und rief einen Arzt. Man gab ihm ein Beruhigungsmittel und brachte ihn nach Hause. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er sich wieder einigermaßen gefasst hatte, kehrte Foster zur Leiche zurück. Die gesäuberten, bläulich verfärbten Wunden auf ihren Brüsten ergaben den Hinweis. Bei näherer Betrachtung der Leiche konnte man ferner mehrere Einstiche an ihrem Arm entdecken, was auf den Gebrauch von Drogen hinwies. Ihre inneren Organe waren aber nicht von übermäßigem Missbrauch geschädigt.
Zusammen mit Heather kehrte er zur Ermittlungszentrale in Kensington zurück. Dort wartete schon Nella Perrys Freund Jed Garvey auf sie. Er stellte sich als ein unterbelichteter Privatier heraus, für den Foster nichts als Verachtung empfand. Ohne die Notwendigkeit, sich zwischen Dates, Dealern und Dinnerpartys ihren Lebensunterhalt verdienen zu müssen, angelten diese Leute sich einen Job nach dem anderen und stießen zufällig auf etwas, mit dem sie sich die Zeit vertreiben konnten: So stellte Foster sich das jedenfalls vor. Es verschaffte ihnen Ansehen, bis es sich finanziell nicht mehr lohnte, dann stellte man sie entweder frei, oder sie setzten auf ein anderes Pferd.
Jed Garvey behauptete, er sei Maler. Foster schätzte, Picasso und Pollock müssten sich noch keine Sorge um ihren Platz in der Geschichte machen. Er war dünn wie eine Bohnenstange und maß über eins achtzig. Er hatte ein längliches Gesicht und trug einen sieben-Tage-Bart. Seine Haare sahen aus, als wären sie von einem Baum gefallen und direkt auf seinem Kopf gelandet. Er trug ein abgetragenes Anzugjackett über einem Pullover mit V-Ausschnitt, ausgewaschene Jeans und Baseballschuhe.
Er sah mitgenommen aus, als er vom Tod seiner Freundin
erfuhr. Man brachte ihm einen Kaffee und ließ ihn kurz schmoren.
»Das ist ja mal ein ordentlicher Kerl«, bemerkte Heather.
»Sie wollen damit doch wohl nicht sagen, dass Sie diese Pissnelke attraktiv finden?«, fragte Foster entsetzt.
»Der hat schon was.«
»Ja, dank Daddy jede Menge Scheinchen auf dem Konto.«
»Zynisch oder eifersüchtig?«
»Eifersüchtig? Auf den? Dieser Knabe mit Bartflaum?«
»Man sagt, er hätte einige der schönsten jungen Models, Schauspielerinnen und Schönheiten der Londoner Society gedatet.«
»Soll er meinetwegen. Sie verbringen offenbar’ne Menge Zeit mit dem Lesen dieser Klatschspalten.«
»Ist gut, um abzuschalten«, entgegnete sie. »Lustig, dass Dammy Perry ihn häufig in ihrer Kolumne erwähnt hat.«
»Klar. So läuft das doch bei denen, oder? Da draußen gibt’s bestimmt tausend Künstler, die besser sind als er, nur dass sie keine Reporterinnen von der Boulevardpresse bumsen.« Foster seufzte. »Übernehmen Sie den mal. Wenn ich das mache, haben wir am Ende des Verhörs vielleicht noch mehr abgetrennte Körperteile.«
Sie kehrten in den Raum zurück. Garvey hatte sich gesetzt, die Arme vor dem Brustkorb verschränkt und starrte auf den Tisch vor sich. Heather stellte den Kaffee ab und lächelte ihn beruhigend an.
»Ich sehe, dass das für Sie ein ziemlicher Schock ist«, sagte sie.
Garvey nickte mit abwesendem Blick.
»Wir müssen ein paar Sachen durchgehen. Reine Routine. Das hilft uns, den Mörder zu finden.«
Garvey nickte abermals. »Das Letzte, was ich zu ihr gesagt habe, war ›Verpiss dich‹«, sagte er, dann schüttelte er den Kopf. »Können Sie sich vorstellen, wie schrecklich das ist? Zu wissen, dass das die letzten Worte waren, die Sie einem geliebten Menschen gesagt haben?«
Heather nickte mitfühlend. Foster spürte unerwartete Sympathie. Das Letzte, was er seinem Vater sagen konnte, war, dass er ihn liebte und verehrte.
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Heather mit sanfter Stimme. »Erzählen Sie uns doch von Ihrem letzten Treffen mit ihr.«
Er holte tief Luft. »Das war Freitag Mittag. Dammy war gut drauf, weil ihr Agent für sie einen Vertrag zu einer Buchidee ausgehandelt hatte. Wir gingen zu Electric in der Portobello Road zum Feiern. Ein paar Freunde kamen auch dazu. Wir aßen, tranken Champagner, danach gingen die anderen wieder. Und plötzlich … nun, Sie wissen ja, wie das ist: Man ist gut drauf, hat zu viel getrunken, und dann sagt man was Falsches.«
»Was haben Sie denn gesagt?«
»Sie dachte, ich sei eifersüchtig. In letzter Zeit lief es nicht so gut bei mir. Ich habe nicht viel ausgestellt oder verkauft. Das hat mich runtergezogen. Nach ein paar Drinks bin ich wohl etwas sauer
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