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Das Erbe des Blutes - Roman

Titel: Das Erbe des Blutes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Verteidigung, wonach die Polizei das Messer in der Wohnung von Mr. Fairbairn platziert hat, unberücksichtigt zu lassen. Wir haben von dem für den Fall zuständigen Detective gehört, dass das Messer unter den Habseligkeiten des hier sitzenden Angeklagten gefunden wurde, und ich sehe keinen Grund zu der Annahme, dass Detective Pfizer sich der Fälschung von Beweisen schuldig gemacht hätte. Ich kenne ihn als Zeugen in diesem Gericht seit beinahe einer Dekade und hatte niemals den Eindruck, er sei nicht ein rechtschaffener und loyaler Gesetzesdiener.«

    Unter diesen Voraussetzungen war das Urteil eine reine Formalität. Nach der Verkündung bat die Verteidigung in einem kurzen Plädoyer noch um Milde, indem sie anführte, ihr Mandant besitze lediglich die geistige Reife eines Zehnjährigen. Daher könne er für seine Taten nicht voll verantwortlich gemacht werden und dürfe nicht gehenkt werden. Der Richter wischte dieses Argument vom Tisch.
    Foster beendete seine Lektüre. Er hatte sich so sehr darin vertieft, dass er gar nicht mitbekommen hatte, wie Nigel gegangen und mit einem Bündel von Dokumenten zurückgekehrt war. Als er aufsah, schob Nigel ihm ein abgegriffenes Stück festes Papier herüber: Eke Fairbairns Obduktionsbericht.
    Oben standen Fairbairns Name und sein Alter. Die Untersuchung hatte im Gefängnis von Newgate stattgefunden und ergeben, dass der Verstorbene »gut genährt«, 202 Zentimeter groß und 86 Kilo schwer gewesen war. Er war seit einer Stunde tot; um seinen Hals befanden sich eine tiefe Einkerbung, verursacht durch den Strick, sowie Einschnürungen im umliegenden Gewebe. Die Umgebung seines Mundes wies Schaum und Blutflecken auf, und die Zunge war herausgetreten. Lippen, Ohren und Fingernägel hatten sich blau verfärbt. Foster kannte das von Erstickungsopfern. Er warf einen Blick auf die inneren Befunde: Es gab keine gebrochenen Wirbel.
    »Wie gut haben die 1879 eigentlich gehenkt?«, fragte er Nigel.
    »Mit wechselndem Erfolg«, antwortete er. »Der tiefe Fall war gerade erst eingeführt worden. Manchmal hat er den Verurteilten das Genick gebrochen, in anderen Fällen auch nicht. Einer, der John ›Babbcombe‹ Lee genannt wurde, hat 1885 drei Hinrichtungen überlebt.«

    Foster überflog den unteren Teil des Blatts. Als Todesursache war Tod durch Ersticken angegeben.
    Foster rieb sich mit den Händen das Gesicht. Ein möglicherweise Unschuldiger war gehenkt worden. Der arme Teufel war noch nicht einmal auf der Stelle tot gewesen, da seine Wirbelsäule intakt blieb; stattdessen erstickte er durch sein eigenes Gewicht am Strick. Foster wusste, dass das Minuten und nicht nur Sekunden gedauert haben konnte, damals wahrscheinlich nichts Unübliches. Wenige von denen, die von seiner Schuld überzeugt waren, hätten sich für Fairbairns Leiden interessiert.
    Doch was er als Nächstes herausfand, war sogar noch verstörender. Der Pathologe hatte insgesamt an sechs Stellen Brüche festgestellt: am rechten Schien- und Wadenbein sowie Handgelenk, Schlüsselbein, rechten Fußgelenk, an einer Rippe und im Kiefer. Solche Verletzungen zieht man sich nicht zu, wenn man im Gerichtssaal die Treppe runterfällt. Schätzungen zufolge erlitt er sie sieben oder acht Wochen zuvor. Um diese Zeit herum hatte er auf seine Verhandlung gewartet. Foster wusste sofort, dass man damals versucht hatte, ein Geständnis aus ihm herauszuprügeln. Um ihm aber so viele Verletzungen zuzufügen, mussten sie ihn schon als Trampolin benutzt haben. Wie hatte Fairbairn es überhaupt bis zur Anklagebank geschafft? Er musste Bärenkräfte gehabt haben, um nicht unter den Schmerzen zusammenzubrechen. Und diesen gebrochenen Mann haben sie vor Gericht gezerrt.
    Jetzt erwachte das damalige Geschehen zum Leben: Foster stellte sich den großen, schweigsamen Mann mit dem Verstand eines Kindes vor, der alles stumm ertrug, als die Polizisten ein ums andere Mal wegen eines Verbrechens, von dem er wusste, dass er es nicht begangen hatte, brutal auf
ihn einprügelten. Dann, als dieselben Männer seinem Leben ein Ende setzten, ließen sie ihn minutenlang baumeln und vergeblich mit den Beinen in der Luft strampeln, auf der Suche nach dem Boden, den er nie mehr berühren sollte. Er spürte, wie er vor Zorn die Fäuste ballte.
    Nun wusste er, dass sie damals ein Motiv hatten.
    »Ich hab so was schon mal gesehen«, sagte Nigel.
    Foster brauchte eine Weile, ehe er in die Gegenwart zurückkehrte und Nigels Worte zur Kenntnis nahm. »Wie meinen Sie

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