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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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schenken, weil er mir beim Umzug geholfen hat.
     
    19.5.
›Die Naturwissenschaften‹
bringt einen Artikel von Flügge und von Weizsäcker, in dem Berechnungen über die enorme Energie präsentiert werden, die bei der Fission freigesetzt wird. Mit der Energiemenge, die von einem Kubikmeter Uranoxyd freigesetzt wird, könnte man einen Kubikkilometer Wasser in siebenundzwanzig Kilometer Höhe heben! Die Zahlen sind unfassbar beeindruckend.
    »Diese Publikation wird überall gelesen«, wunderte sich Rolf. »Der Artikel verrät ja der ganzen Welt, dass wir der Bombe auf der Spur sind.«
    Ich schaute ihm in die Augen und sagte mit Nachdruck: »Eben.« Erst da schien Rolf zu begreifen, dass einige Wissenschaftler gerade darauf aus sind, die restliche Welt vor unseren Forschungsergebnissen zu warnen. Es war das erste Mal, dass Rolf die Enge seines eigenen Blickwinkels zu begreifen schien. Er kann wohl nicht anders, als alles aus rein wissenschaftlicher Perspektive zu sehen!
     
    Erik spürte, wie seine Wangen glühten. Er musste eine kurze Pause machen, bevor er weiter lesen konnte.
     
    1.9.   Deutsche Truppen marschieren in Polen ein. Am physikalischen Institut konzentriert man sich fast ausschließlich auf die Fission. Die Atmosphäre ist gespannt und geladen. Ich
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wundere mich, dass über eine so umwälzende Entdeckung wie die Kernspaltung nicht mehr in der Öffentlichkeit gesprochen wird, bis mir klar wird, dass man das Thema als militärisches Geheimnis behandelt.
    Abends mit Katharina beim Essen. Rolf und Ingrid waren auch dabei. Außergewöhnliche Stimmung, alle haben sich nur den Kopf darüber zerbrochen, was der Krieg mit Polen für Folgen haben wird
. . .
     
    Eriks Handy klingelte. Er war viel zu ungeduldig, um Katja zuzuhören, und fiel ihr sogleich ins Wort: »Ich habe gerade Tagebücher in die Hände bekommen, die ein Kollege von Vater während des Krieges in Berlin geschrieben hat. Darin wird auch Vater erwähnt.«
    »Gut . . . Ich meine, gut, dass wenigstens etwas Licht in Rolfs deutsche Vergangenheit kommt . . .«
    »Diese Aufzeichnungen enthüllen eindeutig, dass er als Physiker an der Atombombenforschung der Nazis beteiligt war!«
    Am anderen Ende war es still.
    »Hast du gehört? Wie es aussieht, hat mein Vater daran gearbeitet, für die Nazis eine Atombombe zu entwickeln!«
    »Ach Erik. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll . . . Außer dass ich . . . ebenfalls Neuigkeiten habe. Und zwar auch nicht gerade Erfreuliches.«
    »Schieß los.«
    »Deine Mutter ist total außer sich. Sie hat einen Tobsuchtsanfall bekommen, als ich bei ihr war. Und sie hat mich jetzt zum zweiten Mal rausgeschmissen.«
    »Was ist denn passiert? Worüber ist sie so wütend geworden?«
    »Sie war nervös wegen der Einbrecher. Ich habe sie direkt gefragt, ob sie etwas mitgenommen haben, über das sie nicht sprechen möchte. Wir können diese Farce doch nicht ewig weiterspielen.«
    Erik seufzte. »Man sollte ihr gegenüber nicht zu direkt werden . . . Sie ist ziemlich clever.«
    |269| »Du kannst leicht Anweisungen geben, aus der Ferne«, fuhr Katja ihn an. »Komm endlich nach Hause!«
    »Tu ich ja. Mit der Abendmaschine.«
    »Gut. Dann . . . dann sehen wir uns gemeinsam die Kuverts an, die ich bei Ingrid mitgenommen habe.«
    Katjas Tonfall ließ Erik Böses ahnen. Hatte sie die Unterlagen schon gelesen und wollte ihm nur nicht die Wahrheit sagen?

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    Über den Arm des jungen Mannes lief eine Tätowierung:
Forever yours
. Sein Bierbauch blähte ein Chelsea-Trikot, und die schmutzigen Jeans ließen die Hälfte seines Hinterns sehen. Er hatte einen so starken Unterschichtakzent und redete so schnell, dass Ingrid nichts verstand außer den in regelmäßigen Abständen wiederkehrenden Kraftausdrücken.
    Allerdings schienen der Mann und sein etwas manierlicherer Kollege ihre Arbeit sorgfältig zu machen, und das genügte Ingrid. Die neue Scheibe saß schon fast stabil im Fensterrahmen.
    Ingrid beobachtete den tätowierten Mann genau. Solche wie ihn sah man auf den Straßen und in den Einkaufszentren Großbritanniens zuhauf. Und noch häufiger sah man am helllichten Tag ihre oft alleinerziehenden weiblichen Pendants Kinderwagen schieben, in denen Kleinkinder damit beschäftigt waren, Chips oder grellbunte Süßigkeiten zu verdrücken.
    Es gab viele von ihnen, Massen – und es wurden immer mehr, dachte Ingrid. Sie vermehrten sich wesentlich schneller als diejenigen, die es länger in der Schule aushielten, die wegen

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