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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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schon lange nicht mehr dazu gekommen, Heimweh nach Finnland zu empfinden. Allerdings stand er in ständigem Briefwechsel |70| mit seinen Eltern und verfolgte genau die – in der Regel äußerst besorgniserregenden – Nachrichten, die Finnland betrafen. Ingrid hatte er erklärt, aus Zeitmangel auch ihre Eltern in Stockholm nicht besuchen zu können. In Wahrheit konnte er bloß seinen Schwiegervater nicht ertragen.
    Die Forschungen in Dahlem fanden unter strengen militärischen Sicherheitsvorkehrungen statt, und am 7.   Oktober 1940 erhielt Rolf einen allumfassenden Passierschein. Erst dieses mit Hakenkreuz und Adler versehene Dokument ließ ihn endgültig begreifen, dass er tatsächlich an einem geheimen militärischen Projekt der Deutschen mitarbeitete. War das falsch? Oder war es mit Hilfe des besagten Projekts möglich, Finnland zu retten?
    Im März 1941 war der größte Teil Kontinentaleuropas dem »Dritten Reich« unterworfen. Falls Deutschland je wie der sichere Sieger ausgesehen haben sollte, dann zu jener Zeit. Vom September an hielt man im Uranverein den Weg zum Bau der Bombe für offen. Und was für eine Bombe! Die Berechnungen waren evident: eine Tonne Uran würde fünfzehn Trillionen Kilokalorien freisetzen. Eine Fünf-Kilo-Bombe würde einen Krater von einem Kilometer Tiefe und vierzig Kilometer Durchmesser entstehen lassen. Sämtliche Gebäude im Umkreis von hundertfünfzig Kilometern würden zerstört.
    Die Freisetzung solcher Energien gab hinreichend Anlass, auch moralische Überlegungen anzustellen. Vor allem Hans zeigte sich sehr interessiert, obwohl er auf anderen Gebieten, zum Beispiel in seinem Gebaren als Frauenheld, keineswegs sonderlich moralisch wirkte. Würden sie als Wissenschaftler eine solche Bombe zustande bringen, würde die Naziführung sie mit Sicherheit auch einsetzen. War es also die Aufgabe der Wissenschaftler, zu entscheiden, ob die Bombe gebaut würde oder nicht? Wenn aber die Uranforschung beerdigt würde, hieße das dann, auch die friedliche Nutzung der Kernenergie aufzugeben? Konnte ein totalitäres Regime die Wissenschaft unmoralisch machen?
    Rolfs Überlegungen endeten an den Grenzen der Realität: den |71| Bau der Bombe zu verhindern würde ihn das Leben kosten. In Wahrheit kam ihm nicht einmal in den Sinn, einen Schritt rückwärts zu machen. Im Gegenteil. Er tat alles, um die Herausforderung zu bewältigen. In der kleinen Wissenschaftsgemeinde vertraute man ihm, und Rolf wollte dieses Vertrauen nicht enttäuschen.
    Plötzlich fuhr er aus seinen Erinnerungen auf und war schlagartig wieder in der Gegenwart. Hoffmann betrat den Raum. »Ist Ihnen etwas eingefallen?«, fragte der Deutsche mit neutraler Stimme.
    Rolf dachte kurz nach. »Ich hoffe es«, sagte er schließlich.
    Hoffmanns Lippen verzogen sich zu einem furchterregenden Grinsen.

|72| 9
    Tuukka gab sich ein bisschen beschwipst, aber Siru torkelte echt, als sie die Peter-und-Paul-Festung verließen.
    Tuukka schmunzelte zufrieden. Zuerst hatte er sich gewundert, warum Roope unbedingt wollte, dass er seine Freundin mit nach St. Petersburg nahm, aber diese Lösung war tatsächlich absolut praktikabel. Er und Siru waren ein durch und durch unauffälliges junges Paar, bei dem niemand etwas anderes vermuten würde, als dass sie während ihres Aufenthalts nichts als den Winterpalast, die Eremitage und andere kulturelle Sehenswürdigkeiten besichtigen wollten. Dann aber siegte die Verlockung des roséfarbenen Sekts, und Kunst und Kultur gerieten in Vergessenheit.
    Zwar hatten sie am Tag zuvor vor der Eremitage Schlange gestanden, aber die Prognose des Museumsführers über die geschätzte Wartezeit war so niederschmetternd gewesen, dass sie ins Hotel zurückgekehrt waren, um weiterzufeiern. Heute war ihr letzter Tag, und Tuukka war es kurz vor Mittag endlich gelungen, Siru aus dem Hotel hinauszulocken.
    »Lass uns wenigstens
irgendwo
hingehen, damit du sagen kannst, du hast was gesehen«, hatte er sie gelockt.
    Die verkaterte Siru war aber nur durch Beschwörungen, Drohungen und eine Kanne starken Kaffee vom Zimmerservice zum Aufstehen zu bewegen gewesen.
    Sie gingen an den äußeren Festungsmauern und am Artilleriemuseum vorbei in den Alexander-Park, der sich üppig auf der nördlichen Seite der Festung erstreckte, mitten in Petrogradskaja Storona, dem ältesten Stadtviertel von St. Petersburg. Tuukka warf einen Blick auf seine großformatige Taucheruhr.
    |73| »Ich muss mal kurz dort in die Büsche«, sagte er.
    »Warum

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