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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Wenn Ihre Antwort positiv ist, werden Sie vielleicht schon Ende dieser Woche nach Paris gebracht. Und unter Umständen können Sie dann sehr schnell die Reise in die Vereinigten Staaten fortsetzen.«
    Diese Entscheidung war leicht zu treffen. Rolfs Eltern lebten in Finnland. Aber konnten die ihn nicht einmal in Amerika besuchen? Und was für eine Karriere stünde ihm im armen Finnland schon offen? Er musste den Amerikanern jedoch unbedingt klarmachen, dass er nicht bereit wäre, ohne Ingrid nach Amerika zu gehen.
    Schon am nächsten Tag teilte der Major ihm mit, Ingrid habe ihre Bereitschaft zur Ausreise in die Vereinigten Staaten erklärt. Man würde sie umgehend von Berlin nach Paris bringen.
     
    Erschrocken richtete Rolf sich auf seiner Matratze auf. Die Tür wurde aufgeschlossen. Der kleine Mann, der noch dunkler war als die anderen, kam herein.
    »Gehen wir«, sagte er barsch.
    Unsicher stand Rolf auf. Jetzt, da das Warten endlich ein Ende hatte, erschien es ihm alles andere als angenehm, den Raum zu verlassen. Der Mann packte ihn am Arm und führte ihn durch einen schmalen Flur zur Tür und aus dem Gebäude hinaus.
    Draußen wartete ein Auto, das Rolf zuvor nicht gesehen hatte.
    Panik stieg in ihm auf. Sein Blick sprang über das Gelände, das an einer Seite von einer verwitterten Backsteinmauer und an der anderen von einem mit dichtem wildem Wein bewachsenen Maschendrahtzaun eingefasst war. An einen Fluchtversuch war nicht zu denken, da machte er sich keine Illusionen. Außerdem durfte er auf keinen Fall Emil und Olivia gefährden.
    Er ließ sich auf den Rücksitz sinken, wo ein zweiter Fremder wartete. Gleich darauf setzte sich der Wagen in Bewegung und bog auf eine wenig befahrene Straße ein. Sie fuhren zunächst durch ein Dorf, dann ging es weiter auf einer Straße, die sich |194| sanft durch die Feld- und Waldlandschaft schlängelte. Hier und da sah man Bauernhöfe und kleine Dörfer. Bald bogen sie ab, doch Rolf konnte die Wegweiser nicht rechtzeitig erkennen. Nach mehreren Kilometern führte die Straße in einen Wald hinein. In Deutschland musste es tausende Kilometer solcher Straßen geben, trotzdem kam Rolf die Umgebung bekannt vor.
    Aber erst das gelbe Ortschild ließ ihn endgültig glauben, dass sie tatsächlich in Gottow waren.
    Warum, um Himmels willen?
    Sie fuhren durch das stille Dorf. Ohne das Ortsschild hätte Rolf es nicht wiedererkannt. Zu viele neue Häuser waren inzwischen entstanden.
    Nach den letzten Häusern bogen sie jedoch in eine Straße ein, die Rolf sofort wiedererkannte. Wie oft hatte er diesen Weg nach Kummersdorf genommen, als er in Mayers Forschungsgruppe gearbeitet hatte. Nach einer Weile tauchte rechts und links der schnurgeraden Straße durch den Wald ein maroder Zaun auf, hin und wieder unterbrochen von einer Zufahrt mit Schlagbaum.
    Sie waren auf dem Weg zur alten Versuchsanstalt des Heereswaffenamtes.
    Rolf hatte ursprünglich selbst vorgehabt, dem Gelände von Berlin aus einen Besuch abzustatten, wenn die Reise wie geplant verlaufen wäre. Aber nicht unter diesen Umständen und schon gar nicht in dieser Gesellschaft.
    Die Gegend war menschenleer. Der Zaun rechts und links der Straße schien sich ins Unendliche fortzusetzen. Am Himmel trieb der böige Wind dunkle Regenwolken vor sich her.
    Bald war die Straße nicht mehr asphaltiert, sondern gepflastert. Rechts ragte ein Betonturm auf. Der musste zu DD R-Zeiten gebaut worden sein. Dahinter stand ein vierstöckiges, kastenförmiges Haus. Auch das wirkte völlig verlassen. Rolf richtete sich auf und sah unverwandt aus dem linken hinteren Fenster. Jenseits des Zauns wuchsen Weiden vor diesen blassgelben Gebäuden, |195| die er nur allzu gut kannte, die ihm aber jetzt, in ihrem verfallenen Zustand, trotzdem fremd vorkamen. Fenster waren eingeschlagen, Türen fehlten. Als er das letzte Mal in einem dieser Häuser übernachtet hatte, war alles neu und sauber gewesen.
    Der Zaun endete, und nun tauchten auch Häuser auf, die noch bewohnt wurden, aber auch die waren in schlechtem Zustand. Der Fahrer bog links ab, auf einen schmalen Sandweg, der durch braune, verwitterte Gebäude hindurch führte. Dort war das Büro gewesen, dort die Kantine . . .
    Hier hatte Rolf sich als junger Wissenschaftler ins Zeug gelegt, hier hatte er all seinen Verstand, all seine Fähigkeiten und all seinen Ehrgeiz eingesetzt – um die Atombombe für Hitler zu bauen. Er konnte seinem Schöpfer nur dankbar sein, dass es nicht gelungen war. Sein Leben

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