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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ganze Viertel bestand aus qualmenden Häusergerippen, da, wo nicht alles dem Erdboden gleichgemacht worden war. Das Gleiche galt offenbar für ganz Berlin. Noch immer regnete es weiße Asche auf die von zerbrochenen Ziegeln und Glassplittern übersäten Kopfsteinpflasterstraßen. Ingrid hatte ihren Mann erst spät in der Nacht an der Verbandsstelle des Nachbarviertels wiedergefunden – fiebrig, aber zum Glück unverletzt. Innerhalb weniger Stunden hatten sie buchstäblich alles verloren. Jetzt hatten sie nur noch sich selbst.
    Dieses Erlebnis hatte Ingrid noch enger an Rolf gebunden. Auch äußere Krisen in späteren Jahren hatten ihre Beziehung eher gefestigt – bis sich in Amerika alles veränderte. Ausgerechnet zu einer Zeit, als die schlimmsten Probleme eigentlich hinter |226| ihnen liegen sollten, offenbarte der Mensch, den sie durch und durch zu kennen geglaubt hatte, völlig neue Seiten . . .
    Ingrid legte die Fotos aus der Hand und fasste sich wieder. Nein, einem Mann wie Rolf würde sie nicht nachtrauern.
     
    Saiid und sein Komplize Rashid luden den kleinen, aber schweren Bleibehälter aus dem Kofferraum des VW.   Zusammen schleppten sie ihn in das Haus, das nach dem Zusammenbruch der DDR jahrelang leer gestanden hatte, bis ein Immobilienspekulant es sich unter den Nagel gerissen hatte, um es an mehr oder weniger hoffnungslose Fälle zu vermieten.
    Das Haus diente ihnen als zweiter Stützpunkt. Es lag in Bardenitz, einer abgelegenen Gegend zwischen Jüterbog und Treuenbrietzen, zwanzig Kilometer von der A9 entfernt. Drinnen warteten Malek und Utabar, die kurz zuvor aus Helsinki gekommen waren. Der Raum war spärlich möbliert – wenige Stühle, ein kleiner Tisch. An den Wänden breiteten sich riesige Feuchtigkeitsflecken aus, und ein Teil der Deckenpaneele hatte sich gelöst. Die vier Männer standen schweigend und voller Ehrfurcht um den Uranbehälter auf dem Tisch. Durch den Vorhangspalt fielen die letzten kupfernen Strahlen der Abendsonne auf den Kasten, als wollten sie die Feierlichkeit dieses Augenblicks noch verstärken. Die Männer sahen einander an und verspürten Stolz.
    Sie hatten es geschafft. Sie waren im Begrifff, Geschichte zu schreiben.
    Aber sie standen erst am Anfang. Bis London war es noch ein weiter Weg.

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    Erik faltete die Kopie des Briefes von Katharina Kleve auseinander und reichte sie dem Polizeibeamten im Charlottenburger Revier in der Bismarckstraße über den Tisch. Diese Dienststelle war wesentlich größer als die Polizeiwache in Luckenwalde, die er aufsuchen musste, nachdem man seinen Vater tot gefunden hatte. Mit seinen Sicherheitstüren und kugelsicheren Glasscheiben am Eingang erinnerte das Gebäude in der Bismarckstraße fast schon an eine Festung.
    Die etwas grobschlächtige Erscheinung des Beamten passte gut zur Atmosphäre. Erik hatte ihm gerade ausführlich die Hintergründe der Ereignisse geschildert, bis hin zu der Deutschlandvergangenheit seines Vaters, auf die Katharina Kleve anzuspielen schien.
    »Ich weiß nicht, warum auf dem Brief diese Adresse angegeben ist, obwohl Frau Kleve doch schon seit Jahren in einem Pflegeheim in Lichterfelde lebt.«
    »Das kann ich Ihnen auch nicht sagen, Herr Narva«, sagte der Beamte müde, aber nicht ohne Sympathie, und gab Erik das Blatt Papier zurück. »Der Tod Ihres Vaters tut mir leid, aber ich kann Ihnen da leider nicht weiterhelfen. Unsere Kollegen vernehmen die Bewohner von Gottow, Kummersdorf und Umgebung, um herauszufinden, wer der flüchtige Autofahrer ist. Es wird Anzeige erstattet werden, und derjenige muss sich dann vor Gericht wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Mehr können wir im Moment nicht tun.«
    Sein Ton war jetzt schon eine Spur strengerr, aber noch immer freundlich.
    |228| Erik versuchte es trotzdem noch einmal. »Ich weiß ja selbst nicht genau, wonach ich suche. Aber es sind in der letzten Zeit so viele seltsame Dinge passiert. Und es ist überhaupt nicht die Art meines Vaters, sich in abgelegenen Gegenden herumzutreiben: Er war ein alter Mann und wusste das sehr gut. Warum hätte er sich auf das Gelände einer alten DD R-Kaserne begeben sollen? Außerdem bewegte er sich im Straßenverkehr immer besonders vorsichtig, und sein Gehör war nicht sehr gut, seit er als junger Mann in der Raketenforschung der USA gearbeitet hatte und der Testabschuss einer Rakete schiefgegangen war . . .«
    Auf einmal horchte der Polizist auf. »Er hatte in Amerika mit Raketen zu tun?«
    »Ja.«
    Der Beamte

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