Das Erbe des Bösen
Element drei und Element vier tauschen. Das bringt uns den nötigen Platz in der Tiefe. Versuchen wir es doch wenigstens.«
Während er sprach, hob Malek eine an die Wand gelehnte Styroporplatte in die Höhe. Darauf war der Stadtplan von London befestigt. In der City, nahe dem kleinen Park an der Ecke von King Edward Street und Angel Street, im Herzen der Finanzwelt der westlichen Hemisphäre, steckte eine Nadel mit schwarzem Kopf.
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Der Vorplatz des Pflegeheims lag schon fast im Dunklen. Erik zahlte die Taxifahrt mit seiner Kreditkarte und ging anschließend zielstrebig auf das Gebäude zu. Nur in wenigen Fenstern schimmerte noch Licht durch die Vorhänge.
Katharina Kleve.
Wenn seine Mutter auch noch den letzten Rest von Vertrauen zwischen ihnen zerstören wollte, indem sie weiterhin schwieg, lag alle Hoffnung auf Katharina Kleve. Warum hatte die Frau Eriks Vater zu sich bestellt? Wie hatte eine so vollkommen verwirrte Greisin überhaupt einen so klaren Brief schreiben können?
Sicher war jedenfalls, dass es sich bei Frau Kleve um eine der wenigen gleichaltrigen Bekannten seines Vaters aus Kriegszeiten handelte. Erik hoffte inständig, mit ihrer Hilfe noch etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Auf der Taxifahrt waren ihm immer mehr auffällige Äußerungen seines Vaters zu verschiedensten Anlässen eingefallen. Und je mehr er zurückdachte, umso mehr Dinge fand er, die sich ihm nun in ganz anderem Licht zeigten. Zum Beispiel die Ansichten seines Vaters über Stalins Gräueltaten. Hatte er damit die Tatsache zu relativieren versucht, dass er selbst in Hitlerdeutschland gelebt und studiert hatte?
Von seiner Mutter ganz zu schweigen. Katjas Anruf hatte Erik völlig aus der Fassung gebracht. So lange er sich erinnern konnte, hatte sich seine Mutter für Genetik interessiert. Sie wusste viel darüber – alles, hatte Erik als Kind gedacht. Aber Eugenik, Rassenhygiene . . .
Es war dieselbe Pflegerin wie zuletzt, die Erik in Empfang |242| nahm. Sie schien noch mürrischer diesmal, vermutlich wegen der späten Stunde, trotzdem führte sie ihn zum Zimmer von Katharina Kleve und schloss auf.
Dann ging sie, und Erik blieb in der Tür stehen. Die alte Frau saß in dem halb dunklen Raum auf ihrem Platz und schien in keiner Weise zu reagieren. Erik erschrak – sie war doch wohl nicht gerade eben . . . Mit wenigen Schritten war er bei ihr.
Die Greisin fuhr zusammen. »Sie?«
Erik seufzte vor Erleichterung. Erkannte sie ihn sogar wieder?
Zunächst machte sie einen höchst reservierten Eindruck, aber sie reagierte sofort, als Erik begann, ihr Fragen über Rolf zu stellen. Dessen Tod wollte Erik vorläufig nicht erwähnen.
»Können Sie mir sagen, was Rolf in Berlin genau gemacht hat?«, fragte Erik.
»Was Rolf macht? Er forscht natürlich.«
»Was forscht er denn?«
Sie schaute ihm nun nicht mehr in die Augen. »Forscher erforschen das, wofür man ihnen Geld gibt«, sagte sie heiser. Dann seufzte sie und senkte die Stimme. »Ich kann über die Angelegenheiten von Rolf und Hans nicht reden. Die SS kümmert sich um die Sicherheitsmaßnahmen, schon seit dem Herbst 1939. Die Uranbombe wird alles retten, glauben Sie mir . . .«
Langsam drangen die Worte in Eriks Bewusstsein ein. Ihm kam wieder in den Sinn, was er im Internet über Kummersdorf und die dortige Versuchsstelle Gottow gelesen hatte:
Das Heer betrieb in Kummersdorf auch Atomforschung
. . .
War sein Vater an Hitlers Atombombenprogramm beteiligt gewesen?
Lähmende Angst lag in der stickigen Luft des Einzimmer-Apartments in Espoo-Otaniemi. Teemu saß am Bildschirm, Jani im Sessel, die Füße auf dem Tisch, Raine lag auf dem Sofa und starrte an die Decke.
»Es gibt keine andere Möglichkeit, als alles der Polizei zu erzählen«, sagte Raine. »Alles.«
|243| Die anderen reagierten in keiner Weise auf den Satz.
»Wir müssen eine Prioritätenliste aufstellen«, fuhr Raine fort.
»Genau«, sagte Teema langsam. »Roope wird nicht mehr lebendig. Es ist sinnlos, wenn wir . . .«
»Die Polizei wird auf jeden Fall alles, was mit Roope zu tun hat, gründlich untersuchen. Und dabei werden sie garantiert auf die Spur von LALLI stoßen. Andersherum wäre das kaum gelungen . . . Sie wären nicht über LALLI auf Roope gekommen. Aber so . . .«
»Das wissen wir doch alles schon«, schnaubte Teemu. »Warten wir trotzdem erstmal in Ruhe ab. Roope wäre bestimmt nicht begeistert, wenn wir das ganze Ding versauen, indem wir alles ausplaudern. Die Behörden
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