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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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und war gekommen, um sie zu begrüßen. Katja ging in die Hocke, um das Tier zu kraulen.
    »Erzähl das aber nicht deinem Frauchen«, flüsterte sie.
    Katja ging die Treppe zur Eingangshalle hinauf, wo sie von den in ihrer Bewegung erstarrten antiken Sportlerjünglingen und ihren schönen Körpern empfangen wurde. Die Statuen waren ihr zwar schon immer viel zu pompös vorgekommen. Doch in der Stille und bei dem gedämpften Licht wirkten sie geradezu beängstigend. Auf dem Weg zur Bibliothek glaubte Katja, ein Geräusch zu hören. Sie drehte sich schnell um und ihr Blick fiel auf einen blütenweißen Jüngling, der mit erhobenen Händen zum Himmel schaute. Ungläubig schüttelte sie den Kopf und öffnete die Tür zur Bibliothek. Von der Außenbeleuchtung fiel ein schwacher Lichtschein durch die Vorhänge.
    Katja trat an den großen, glänzenden Mahagonitisch mitten im Raum und schaltete die Tischlampe an, in deren Licht Ingrid häufig ihren »Forschungen nachging«, wie sie das selbst nannte. Aus irgendeinem Grund wollte Ingrid in diesem großen Zimmer kein Deckenlicht haben.
    Katja ließ ihren Blick über die Wände mit den Buchrücken |236| schweifen. Irgendwo dahinter befand sich laut Erik das Geheimfach, in dem Ingrid alte graue Mappen und dicke Kuverts aufbewahrte. Erik hatte erzählt, dass er als Kind in Amerika seine Mutter einmal beim Studium alter Papiere beobachtet hatte und sie außer sich vor Wut war, als sie ihn dabei entdeckt hatte. Jahrzehnte später hatte er hier, in diesem Haus, durch den Türspalt gesehen, wie Ingrid irgendwelche Unterlagen in einem Fach hinter den Büchern versteckt hatte.
    Katja nahm an der Stelle, die Erik ihr beschrieben hatte, zwei Bücher aus dem Regal: Herrnstein & Murray: ›Bell Curve   – Intelligence and Class Structure in American Life‹ und Wilson: ›The Ants‹.
    Ingrids Interesse an Soziobiologie nahm immer neue, aktuelle Formen an.
    Die dunkel gebeizte Sperrholzrückwand zeigte keinerlei Besonderheiten. Vielleicht hatte Erik sich falsch erinnert. Sie nahm die Bücher aus dem Regalfach nebenan. Nichts.
    Besorgt blickte Katja auf die Uhr und streckte die Hand zum obersten Fach aus. Sie zog ein schweres, altes Buch hervor, aber es rutschte ihr aus der Hand und fiel mit einem lauten Knall auf den Boden. Die brüchigen Seiten flatterten sofort einzeln in alle Richtungen. Das hatte gerade noch gefehlt. Katja schnappte in Windeseile nach den Buchseiten. Schließlich hatte sie alles einigermaßen wieder zwischen die Einbanddeckel gestopft und setzte die Suche fort.
    Gerade wollte sie Erik anrufen, da fiel ihr etwas auf. Die Rückwand des obersten Regalfachs schien einen dünnen Saum aufzuweisen. Rasch schob sie zwei Bücher aus dem Weg. Dahinter kam ein kleiner, schwarzer Metallgriff zum Vorschein, der aus der Ferne kaum zu erkennen gewesen wäre. Katja drehte den Griff, und sogleich glitt die Rückwand zur Seite. Triumph und Neugier ließen alle Schuldgefühle verschwinden. Das mit Metall ausgekleidete Fach enthielt graue Mappen aus Pappe und alte braune Kuverts. Katja nahm sie vorsichtig heraus, legte sie ordentlich auf den Tisch und schlug im Schein der Lampe die erste Mappe |237| auf. Sie enthielt offenbar Forschungsergebnisse. Nicht aus der Chemie und auch nicht aus der Biochemie, sondern aus der Medizin. Hauptsächlich die Resultate von Blutproben. Es waren die Werte mehrerer Personen, die nicht mit Namen, sondern mit einer Art Identifikationscode benannt worden waren. HP-3, CAL-2 . . . Die Daten stammten vom Ende der Vierzigerjahre, die Aufzeichnungen waren in englischer Sprache verfasst.
    Sie schloss die Mappe und griff nach drei Kuverts, die zu ihrer Überraschung versiegelt waren. Was mochten sie enthalten? Durfte sie so dreist sein und das Siegel brechen? Oder sollte sie Erik die Kuverts geben, damit er das entschied? Katja musste sofort an Ingrids leicht überheblichen Blick denken, den sie so oft ertragen musste. Als letzte Demütigung hatte die Schwiegermutter sie aus dem Haus gejagt. Und außerdem: Eriks Bitte war eindeutig. Sie durfte jetzt nicht viel Federlesens machen.
    Katja riss das Siegel auf und zog langsam die Unterlagen aus dem Umschlag. Sie waren auf Deutsch verfasst. Katjas Puls beschleunigte sich. Sie hatte nicht allzu lange Deutsch im Gymnasium gehabt, aber das Thema des detaillierten Schemas war leicht zu identifizieren.

    |238| Hier ging es um Vererbungslehre. Im Hinblick auf die Augen des Menschen. Oder eines Tieres.
    Katja blätterte

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