Das Erbe des Greifen
Schultern. »Es kommt mir einfach schlüssig vor. Hier lebt der Greif noch … wo, wenn nicht hier, soll er sich erheben? Auf die Wiedergeburt einer zerstörten Stadt zu hoffen, erscheint mir dagegen als Wunschdenken. Aber Wünsche werden nicht einfach wahr. Nach meiner Erfahrung muss man selber etwas dafür tun.«
Der Wirt sah ihn lange prüfend an.
»Diese Fährte habt Ihr wohl gelegt, Ser. Darf ich fragen wer Ihr seid?«
Garret zögerte kurz. Er überlegte, ob es vernünftig war, was er hier tat. Nein, das war es nicht. Es gab Tausende von Gründen, die dagegen sprachen, und nur ein einziger Grund sprach dafür. Er war es müde, nichts zu tun, und er hatte schon immer gern Hornissennester angestupst, um zu sehen, was dann geschah. Er legte seine Hand vor dem Wirt auf die Theke und sammelte all seine Konzentration. Während die Augen des Wirts sich weiteten, stieg Qualm zwischen seinen Fingern empor.
Als Garret die Hand wieder wegnahm, war in das Holz der frisch polierten Theke das Wappen Lytars eingebrannt. Es war ihm sogar recht gut gelungen, dachte Garret bei sich.
Dann stellte er seinen Humpen auf das eingebrannte Wappen und sah den Wirt belustigt an, der nur ungläubig blinzelte.
»Wisst Ihr«, begann Garret leise. »Es ist, wie ich gerade sagte: Selbst Prophezeiungen brauchen manchmal Unterstützung von denen, die an sie glauben. Sonst werden sie nicht wahr.«
Als Garret an den Tisch zurückkam, öffnete Tarlon ein Auge. Er sah seinen Freund an und schüttelte den Kopf. »Das war unüberlegt.«
Garret rollte die Augen und zog sich einen Stuhl heran. »Ja, vielleicht. Sag mir einfach, dass es ein Fehler war.«
Während Vanessa und die Bardin die beiden fragend ansahen, richtete sich Tarlon mit einem Seufzer auf und musterte seinen Freund. »Diesmal zum Glück nicht«, sagte er dann. »Es war sogar genau das Richtige. Aber dennoch war es unüberlegt.«
»Wovon sprecht ihr?«, fragte Vanessa verwirrt, während die Bardin aufmerksam zuhörte und Garret mit einem nachdenklichen Blick bedachte.
»Weißt du, Vanessa, das war schon immer ein Streitpunkt zwischen uns«, antwortete Garret lachend. »Er meint, ich würde unüberlegt handeln, und ich halte dagegen, dass ich auf meinen Bauch höre und mich mein Gefühl nur selten trügt.«
»Ich muss zugeben, dass er mit seiner Strategie bislang auch recht erfolgreich war. Aber im Allgemeinen ist es doch besser, erst zu denken und dann zu handeln!«
»Lassen wir das, Tarlon«, winkte Garret ab. »Du machst es so, ich mache es anders.« Er beugte sich zu Vanessa hinüber. »Mir fällt hier die Decke auf den Kopf, ich muss raus an die frische Luft.« Dann sah er zu den anderen. »Außerdem sollten wir Argor suchen. Er muss hier noch irgendwo in der Stadt sein, gefunden haben sie ihn jedenfalls nicht, das hätten wir mitbekommen. Bei der Gelegenheit werde ich auch zum Hafen gehen und nach abfahrenden Schiffen fragen. Kommt ihr mit?«
»Ich nicht«, sagte Tarlon mit einem bedeutungsvollen Blick zum Wirt, der nun immer wieder zu ihrem Tisch herübersah. »Ich werde noch ein wenig die Augen offen halten.«
»Während du sie geschlossenen hältst?«, witzelte Vanessa, als sie aufstand. »Ich begleite dich, Garret.« Sie sah die Bardin fragend an, doch diese schüttelte den Kopf. »Ich denke, ich halte mich lieber etwas bedeckt.«
»Das ist wohl besser so«, stimmte Garret ihr zu. »Aber sagt, Sera, in welchen Hafen soll das Schiff Euch bringen?«
»Es kommt nur einer in Frage«, antwortete die Bardin. »Evenbrok. Er ist der einzige unserer Häfen, der fremde Schiffe anlegen lässt. Schaut, ob die ›Dunkelrabe‹ oder die ›Samtschwalbe‹ im Hafen liegen, beide Schiffe habe ich in der Vergangenheit benutzt, die Kapitäne kennen mich.«
»Das werden wir tun«, sagte Garret. »Ich hoffe nur, wir haben Glück.«
»Passt auf Euch auf«, meinte Tarlon leise, als sein Freund sich das Lederbündel griff, in dem sich auch dessen Schwert befand.
»Natürlich«, gab Garret grinsend zurück und verabschiedete sich fröhlich.
Die Bardin sah ihm nach und wandte sich dann an Tarlon. »Was war falsch an dem, was er vorhin tat?«
»Nun ja«, erwiderte Tarlon nachdenklich. »Es war nicht unbedingt falsch, aber es war unüberlegt. Wir kommen in eine Stadt, die wir nicht kennen, kehren in dieses Wirtshaus ein, das uns von einer der Stadtwachen empfohlen wurde und über dessen Wirt niemand von uns auch nur das Geringste weiß. Und Garret geht einfach hin zu ihm, erzählt
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