Das Erbe des Greifen
ereilt, so aber wurde er verschont. Doch von seinem Glück wird er nie erfahren … Allerdings gehört das Glück zum Wagnis dazu. Wagt man nichts, braucht man kein Glück, und dann findet man es auch nicht. Ob Garret nun mehr Glück hatte als andere, wer kann das schon sagen? Das wissen nur die Götter. Eines ist aber sicher, die Bardin und die Freunde konnten nun jedes bisschen Glück gebrauchen …«
Waldor
»Ich kann mich gar nicht daran gewöhnen, so viele Menschen auf einem Haufen zu sehen«, sagte Garret, als er zusammen mit Vanessa über den Marktplatz schlenderte. »Auch wenn die meisten sich zurzeit nicht auf die Straße trauen.«
»Sehr glücklich scheinen sie hier nicht zu sein«, stellte Vanessa fest. »Die Händler sind es gewiss nicht. Schau dort, die alte Frau schließt ihren Stand, obwohl sie kaum etwas verkauft hat.«
»Und sie ist nicht die Einzige«, sagte Garret. Er trat an die alte Frau heran und lächelte freundlich. »Die Äpfel sehen gut aus, was kosten sie?«
»Fünf Stück ein Kupfer.«
»Das ist ein gerechter Preis«, gab Garret fröhlich zurück. Er ließ ein Kupferstück in die Hand der Frau gleiten und fischte sich die Äpfel heraus. Zwei reichte er an Vanessa weiter, zwei steckte er ein, und von dem letzten nahm er einen herzhaften Bissen.
»Da drüben geht’s hinunter zum Hafen«, meinte er kauend und wies mit dem angebissenen Apfel in besagte Richtung. Die meisten Straßen der Stadt waren eng und verwinkelt, doch diejenige zum Hafen hinunter war breit und mit schweren Steinplatten ausgelegt. Nachdem sie der Straße ein wenig gefolgt waren, erreichten sie ein Stadttor, das den Hafen von der inneren Stadt trennte. Dort standen zwei Stadtwachen, die sie gelangweilt musterten, doch keiner von ihnen reagierte, als sie an ihnen vorübergingen. Während sie unter dem massiven Torbogen hindurchschritten, stieß Vanessa Garret leicht mit dem Ellenbogen an. Er folgte ihrem Blick und sah oben auf einer langen Leiter einen Soldaten der Stadtwache stehen, der mit einem Spatel Dreck aus der Laufrinne des Fallgitters kratzte und anschließend die Rinne großzügig mit Wagenfett bestrich.
»Das sieht aus, als wären die Fallgitter lange nicht herabgelassen worden«, flüsterte Vanessa mit einem Blick auf die große Trommel an der Seite, von der aus eine Kette nach oben führte. Auch wenn diese rostig war, schien sie doch solide genug zu sein, um noch Jahrhunderte zu halten.
»Ja, das sieht so aus«, meinte Garret nachdenklich, als sie weitergingen. »Und offenbar will man das jetzt wieder ändern.«
Hinter dem Tor machte die Straße einen scharfen Rechtsknick. Von dort aus führte eine stabile hölzerne Rampe zu dem gut drei Mannslängen tiefer gelegenen Teil des Hafens hinab. Die schweren Bohlen klangen dumpf unter ihren Füßen, als sie darauf hinunterschritten.
Unten angekommen, musterte Garret die Stützkonstruktion der Rampe.
»Recht stabil«, meinte er dann. »Aber dennoch ist sie so gebaut, dass man sie leicht einreißen kann. Das Tor liegt gute sechs Schritt oberhalb des Hafens und wäre dann nur schwer anzugreifen.« Er sah sich um. »Aber es ist dennoch ein ziemlich großer Aufwand.«
»Vielleicht hat es mit den Fluten zu tun, von denen Tarlon sprach«, mutmaßte Vanessa. »Ich hörte, bei Sturm können sie außergewöhnlich hoch und heftig ausfallen. Diese Mauer würde die innere Stadt dagegen schützen.«
»Das wird Tarlon gefallen«, stellte Garret erheitert fest. »Er mag es, wenn etwas mehr als einen Nutzen hat.«
Er beugte sich etwas hinunter, um besser unter die Rampe sehen zu können, da zupfte ihn Vanessa am Ärmel.
»Suchst du etwas, Junge?«, kam es auch schon in barschem Ton von der Seite. Eine Stadtwache stand dort und musterte Garret misstrauisch.
»Nein«, antwortete er mit einem leicht tumb wirkenden Gesichtsausdruck. »Ich hab nur noch nie so ’ne Rampe gesehen, Ser Wachtmeister! So was ham wir nich’ bei uns im Dorf.«
»Verzeiht«, sagte Vanessa mit einem bezaubernden Lächeln. »Ihr müsst es meinem Bruder nachsehen! Er ist ein wenig langsam im Geist. Und wenn er etwas sieht, muss er es unbedingt anfassen, es ist eine Plage mit ihm!«
Der Wachmann musterte Vanessa und Garret, stieß ein Grunzen aus und marschierte weiter. Als er außer Sichtweite war, lachte Vanessa auf und stieß Garret in die Seite. »Ich wusste gar nicht, dass du ein so dämliches Gesicht machen kannst!«
»Eines meiner vielen Talente«, antwortete Garret heiter, doch
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