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Das Erbe des Greifen

Titel: Das Erbe des Greifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl A. DeWitt
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blau wie die Farbe von Kornblumen. Wird Vater mich verstehen?
    Der Marsch zum Tempel und der Bau der Brücke hatten fast den gesamten Tag in Anspruch genommen, und nun stand die Sonne schon tief am Himmel. Dennoch war bereits viel geschehen, jetzt, da Pulver die ehemaligen Gefangenen zur Unterstützung hatte. Einige Trümmer des Staudamms waren bereits beiseitegeräumt, und die schweren Türen der Börse hingen wieder gerade in den Angeln und waren weit geöffnet. Im Inneren sah er, wie gut zwei Dutzend Männer damit beschäftigt waren, auch hier den Schlamm und die Toten zu entfernen. Die Männer trugen angefeuchtete Tücher vor dem Gesicht, denn seit dem Dammbruch waren schon einige Tage vergangen, und in der Wärme hatten die Körper der Opfer sich aufgebläht und verbreiteten nun einen süßlichen Gestank. Obwohl er Abstand hielt, musste er würgen; er beschleunigte seine Schritte und war froh, dass er nicht für die Aufräumarbeiten eingeteilt war.
    Er fand seinen Vater nahe der Stelle, an der die Leichen dem Ungeheuer aus dem Meer geopfert wurden. Er war in ein Gespräch mit Barius vertieft, und beide wirkten erleichtert, als sie Astrak erblickten.
    »Schön, dich wohlbehalten wieder zu sehen, mein Sohn«, sagte Pulver und umarmte Astrak überraschend kräftig. »Ist alles gut verlaufen? Gab es Probleme auf dem Weg zum Tempel?«
    »Ein Ungeheuer griff uns an, aber es war sofort besiegt«, berichtete Astrak, bevor er auch den Priester der Hüter höflich grüßte. »Delos und seine Leute haben gute Arbeit geleistet und schnell eine Brücke gebaut. Wir erreichten den Tempel ohne Schwierigkeiten, und Elyra fand einen Weg, ihn zu öffnen. Aber das ist noch nicht alles …« Er machte eine Pause, sah sich um und stutzte. »Was machst du hier eigentlich, Vater?«
    »Wir versuchen das Seeungeheuer zu besiegen«, erklärte Pulver. »Barius ist nicht sehr glücklich mit meiner Lösung, aber ihm fällt auch nichts Besseres ein.«
    »Und wie willst du es erlegen? Mit der Ballista auf dem Dach der Börse?«
    »Das haben wir kurz überlegt, aber es ist nicht sicher genug. Nein, mein Sohn, ich fand einen anderen Weg, vielleicht einen schändlicheren.« Er sah zu dem Priester Loivans hinüber. »Wir sprachen gerade darüber, ob wir uns damit Schuld aufladen oder nicht.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Astrak. »Was hast du gemacht?«
    Pulver zuckte die Schultern.
    »Gift. Ich habe die Toten als Köder verwendet … Bevor das Ungeheuer die Leichen fraß, habe ich sie großzügig mit Gift versetzen lassen. Jetzt warten wir, ob es funktioniert. Heute war das Ungeheuer bereits da, und ich bin der Meinung, es hat sich träger bewegt als gestern. Das könnte bereits die Wirkung des Giftes sein.« Er sah hinaus aufs Meer. »Und wenn nicht, ist es mir allemal lieber, dass das Vieh die Toten frisst und nicht die Lebenden.«
    »Aber du fürchtest, damit die Götter zu beleidigen?«
    »So ist es.«
    »Nun, wenn wir unsere Toten begraben, werden sie von den Maden gefressen. Und so, wie ich es sehe, ist dieses Ungeheuer nicht mehr als das: eine große Made«, sagte Astrak.
    Pulver lachte auf. »Du warst zu viel mit Garret zusammen!«, meinte er und wurde wieder ernst. »Erzähl mir nun vom Tempel.«
    Astrak rümpfte die Nase. »Können wir woanders hingehen? Hier stinkt es.«
    »Ah, ich merke es schon gar nicht mehr«, rief Pulver lachend und klopfte seinem Sohn auf die Schulter. »Deine Nase wird sich schon erholen. Für mich ist es wohl zu spät, ich fürchte, ich werde nie wieder richtig riechen können. Lass uns dort hingehen, das ist weit genug entfernt.« Er wies auf ein Zelt, unter dem Holzfässer lagerten. Niemand wagte es, das Wasser aus der Stadt zu trinken, also wurde jeden Tag frisches Quellwasser von außerhalb herbeigekarrt, um die Männer zu versorgen. Eine Plane schützte das Nass vor der Wucht der Sonne, und feuchte Tücher waren über die Fässer gelegt, damit sie kühl blieben.
    »Habt Ihr etwas dagegen, wenn ich zuhöre?«, fragte der Priester Loivans Astrak höflich.
    »Nein … ich denke, es geht uns alle an, und vielleicht könnt Ihr hier und da sogar etwas Licht ins Dunkel bringen.«
    Im Schatten des Zeltes war es etwas kühler, und die Meeresbrise hielt den Verwesungsgestank fern. Durstig füllte sich Astrak einen Becher mit klarem Wasser und berichtete dann ausführlich, was Elyra und er im Tempel erlebt hatten.
    »Dieses Mädchen, Lenise, nicht wahr? Sie wollte also nicht geheilt werden, da sie fürchtete, ihr

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