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Das Erbe des Greifen

Titel: Das Erbe des Greifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl A. DeWitt
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will reichlich überlegt sein.«
    »Und? Wie hast du es dir vorgestellt?«
    »Irgendwie anders … jedenfalls nicht so, vom Rücken eines Pferdes aus.«
    »Ach«, meinte sie lachend. »Wenn ich daran denke, dass mein Vater meine Mutter fragte, ob sie ihn heiraten will, nachdem sie vor seinen Augen vom Pferd gefallen war, passt das doch zu uns. Oder möchtest du vielleicht noch einmal von mir gefragt werden, wenn du vom Pferd gefallen bist? Dazu wäre ja oft genug Gelegenheit.«
     
    »Ich hätte dich nicht für so unhöflich gehalten«, begann die Sera Bardin, die mit Tarlon zusammen einige Pferdelängen vorausritt. Tarlon sah sie überrascht an, denn es war das erste Mal, dass die Bardin überhaupt etwas sagte, seitdem sie ihr karges Nachtlager am Morgen verlassen hatten. Überhaupt schien es Tarlon, als ob sich die Bardin seit dem Angriff auf Lytara sehr verändert hätte. Jahr für Jahr hatten die Kinder des Dorfes dem Sommerfest entgegengefiebert, weil sie wussten, dass die Bardin mit ihren bunten Gewändern, ihren Geschichten und ihrem glockenhellen Lachen dann nicht mehr weit war. Jetzt mochten sich die bunten Gewänder der Bardin zwar immer noch in deren großen Satteltaschen befinden, doch darauf, dass sie lachte oder den Kindern alte Balladen oder Legenden erzählte, wartete man vergeblich. Die frühere Bardin der Sommerfeste hatte mit der jetzigen nicht mehr viel gemein.
    Seit dem Angriff trug sie, ebenso wie Vanessa, schwarze Lederkleidung. Hosen mit kniehohen Stiefeln, dazu ein Hemd und eine Jacke, auf deren Brustteil und Arme mehrere Scheiden eingearbeitet waren, in denen jeweils sechs Wurfmesser steckten. Hatte sie vorher ihr rabenschwarzes Haar meist offen getragen, war es nun, in drei Zöpfe geflochten, am Kopf hochgesteckt, und ihr Gesicht, so fein gezeichnet, wie es nur bei Elfen der Fall war, zeigte keinerlei Gefühlsregung mehr.
    Jetzt waren ihre dunkelgrünen Augen jedoch unbeirrt auf ihn gerichtet, und eine feine steile Falte stand auf ihrer glatten Stirn. Der Rat hatte entschieden, dass Tarlon, Garret und Vanessa die Bardin nach Berendall begleiten sollten, sie selbst aber nicht danach gefragt, was sie davon hielt. Tarlon vermutete, dass sie nicht sehr erbaut darüber war.
    »Wie meint Ihr das?«, fragte er nun höflich.
    »Du belauschst die beiden.«
    »Sie sind zu weit hinter uns, als dass ich ihre Worte verstehen könnte«, antwortete er milde.
    »Du belauschst auch nicht ihre Worte«, entgegnete die Bardin knapp. »Du hörst ihre Gedanken«, erklärte sie kurz, doch Tarlon schüttelte entschieden den Kopf. »Nein«, sagte er, »das tue ich nicht.«
    »Es gibt nichts, was ich mehr missbillige, als wenn mir jemand in die Augen sieht und dabei lügt.« Die grünen Augen der Bardin funkelten. »Von dir hätte ich das am wenigsten erwartet!«
    »Ich lüge nicht«, erwiderte Tarlon steif. »Ich kann zwar, wie Ihr sagt, hören, was die beiden denken, höre aber bewusst nicht hin.« Sein Blick hielt dem ihren stand. »Auch Eure Gedanken bleiben allein bei Euch«, teilte er ihr dann mit.
    »Und das soll ich dir glauben? Wenn du nicht hören willst, warum hörst du dann trotzdem?«
    Es brauchte normalerweise viel, um Tarlon zu reizen, aber seitdem sie Alt Lytar verlassen hatten, spürte er die Missbilligung der Bardin unablässig in ihren Blicken und aus ihrem Schweigen heraus. Zudem glaubte er auch zu wissen, dass es ihr gar nicht alleine darum ging, dass er lauschte. Die Bardin lag mit sich selbst im Zwist, war nicht imstande, diesen für sich aufzulösen, und trug ihn nun nach außen. Und so fiel seine Antwort nun auch etwas ungeduldiger aus als sonst.
    »Ich höre nicht auf Euch, Sera, noch belausche ich meine Schwester oder Garret. Ich höre auf das, was um uns ist, um gewarnt zu sein, wenn jemand in unsere Nähe kommt.«
    »Hör auf damit«, beschied sie ihm knapp.
    »Das kann ich nicht«, sagte er ruhig. »Das wäre, als ob Ihr verlangt, dass ich zu atmen aufhören soll. Seitdem die Sera in der alten Akademie mir das Gedankenhören beibrachte, ist es so, als ob mein Gehör mit jedem Tag feiner werden würde. Ich kann einfach besser und mehr hören als früher. Und wie sollte ich, bitte, damit aufhören, zu hören?«
    »Du hörst, lauschst aber nicht?«, fragte die Sera nach.
    »Genauso ist es. Sitzt Ihr in einem Wirtshaus, hört Ihr auch alle Unterhaltungen in der Nähe, doch belauscht Ihr sie deshalb auch?«
    Sie sah ihn nachdenklich an.
    »Von welcher Sera sprichst du?«, wollte sie dann

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