Das Erbe des Greifen
Bardin eben ihren Weg bahnte, war von Einheimischen, meist Bauern und Arbeitern, sowie einem guten Dutzend Soldaten, die das Wappen Thyrmantors trugen, geradezu belagert.
»Nichts«, antwortete Garret hastig an Tarions Stelle. »Wir haben nur etwas gehört, das uns amüsiert hat.«
»Und was?«
»Einen schlechten Witz über einen Ochsen«, grinste Garret und ignorierte Tarions leicht gequälten Blick. »Wie sieht es aus«, setzte er hinzu, bevor Vanessa oder Tarlon noch etwas dazu sagen konnten. »Gibt es noch Zimmer für uns? Es sieht voll aus.«
»Das wissen wir noch nicht«, antwortete Vanessa und rümpfte die Nase, als sich ein dickbäuchiger, schwitzender Mann an ihnen vorbeiquetschte und ihr dabei seine Bierfahne in die Nase stieg. »Der Wirt war bislang nicht zu sehen, deshalb will die Bardin nach ihm fragen.« Sie wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. »Ich dachte, dies wäre ein gutes Haus.«
»Ein Gasthof ist immer nur so gut wie seine Gäste«, meinte Garret und zog sie etwas zur Seite, als zwei angetrunkene Soldaten mehr oder weniger gerade auf sie zukamen. »Dieser hier ist zur Zeit deutlich schlechter als sein Ruf.«
Hinter der Theke stand ein älterer Mann, der geduldig Bier in hölzerne Humpen abfüllte. Die Bardin beugte sich über die Theke und sagte etwas zu ihm, worauf der Mann zuerst den Kopf schüttelte. Nachdem die Bardin jedoch länger auf ihn eingesprochen hatte, nickte er auf einmal und wies mit seinem Daumen über die Schulter auf eine Tür hinter der Theke.
Die Bardin nickte, drehte sich dann um und kam zu den drei Freunden zurück. Die Blicke der männlichen Gäste, die ihr auf ihrem Weg zurück folgten, ignorierte sie dabei geflissentlich.
»Wir haben Glück«, teilte sie den anderen mit. »Ich dachte schon, dass mein Freund vielleicht gar nicht da wäre, aber er ist hinten in seiner Schreibstube. Wir können durchgehen.« Sie zog ihren Umhang enger und warf einen verächtlichen Blick in den Gastraum. »Ich bin froh, wenn ich dieses Geschmeiß nicht mehr sehen muss.«
»Ist es hier immer so voll?«, fragte Garret, während sie der Bardin durch die Tür hinter dem Schanktisch folgten. Vor ihnen lag ein langer Gang mit mehreren Türen, von denen die erste offen stand und den Blick in die Küche frei gab. Als Vanessa die Tür zum Gastraum hinter ihnen schloss, wurde es schlagartig ruhiger, und die Bardin atmete erleichtert auf.
»Schon besser«, stellte sie fest, und ging weiter, während Garret einen neugierigen Blick in die Küche warf.
»Sagt, Sera«, wandte er sich an die Bardin, »vertraut Ihr diesem Wirt?«
Sie sah ihn überrascht an. »Sagte ich nicht, dass er ein Freund von mir ist? Und meinen Freunden würde ich mein Leben jederzeit anvertrauen.«
»Dann steht Ihr in der Gnade der Götter und habt bessere Freunde als die Meisten«, lächelte Vanessa.
»Nein, nur weniger«, antwortete die Bardin langsam und blieb vor einer Türe stehen.
»Um auf Eure Frage zurückzukommen, Garret«, ergänzte sie dann. »So voll war es hier noch nie. Ich denke aber, es wird ruhiger werden, sobald der Zeugmeister schließt.« Mit diesen Worten hob sie die Hand und klopfte.
»Herein!«, tönte eine tiefe Stimme von drinnen, und die Bardin stieß die Tür auf.
Der bullige Mann hinter dem Schreibtisch blickte zuerst irritiert auf, doch als er erkannte, wer seine überraschende Besucherin war, lief ein strahlendes Lächeln über sein faltiges Gesicht, und er sprang auf.
»Die Sera Farindil, bei meiner Ehr, was für eine Überraschung!«, rief er, eilte um den mächtigen Schreibtisch herum, umarmte sie und hob sie hoch, während sie mit den Füßen strampelte und mit den Fäusten auf seine breite Brust trommelte.
»Lass mich runter, du … du .. Ochse!«, schimpfte sie, und lachend setzte er sie wieder ab.
»Bei der Göttin«, sagte er schließlich und musterte nun Garret, Tarlon und Vanessa mit neugierigen, aufmerksamen Blicken. »Wie lange ist es jetzt her, dass wir uns zuletzt gesehen haben?«, fragte er. »An die dreißig Jahre? Oder noch mehr? Und im Gegensatz zu mir nicht einen Tag älter geworden.«
»Ihr wollt doch nur ein Kompliment zu hören bekommen«, lachte die Bardin. »Aber nachdem Ihr mir fast die Rippen gebrochen habt, könnt Ihr lange darauf warten, dass ich euch bestätige, wie gut Ihr Euch gehalten habt.«
Garret und Tarlon sahen einander an. So hatten sie die Bardin noch nie erlebt.
»Hiram«, sprach die Bardin weiter. »Dies hier sind meine Freunde,
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