Das Erbe des Vaters
Nadelbäume und Kletterpflanzen hochgezogen; die Nadelbäume hatte er gewählt, weil sie Form und auch im Winter Farbe gaben; für die Kletterpflanzen – Hopfen, Clematis, Geißblatt und Rosen – hatte er sich wegen der Blüten, des Laubs und des Dufts entschieden. Er hatte die Beete mit Quitte und Cotoneaster, Lavendel und Funkie gefüllt und große Tontöpfe und Urnen, die er bei Altwarenhändlern gefunden hatte, mit Buchs bepflanzt, den er in Kugel- und Pyramidenformen beschnitt. Im Sommer würden rosa Storchschnabel und die chartreusefarbenen Blüten des Wiesenfrauenmantels über die Wegränder fallen und alle harten Konturen verwischen. Zum Schluß gestaltete er noch hinten im Garten ein schattiges Plätzchen zum Sitzen neben einem kleinen Teich. Goldfische konnte er wegen der Katzen nicht ins Wasser setzen; dafür schwammen weiße Seerosen wie Sterne auf dem kühlen, dunklen Spiegel.
Eines Morgens schnitt er sich beim Umgraben eines Beets die Hand an einer übriggebliebenen Glasscherbe des alten Gewächshauses auf. In der Notaufnahme des nächsten Krankenhauses nähte ein Arzt den Schnitt. Es hätte wenig Sinn gehabt, danach wieder an die Arbeit zu gehen, da ihn der dicke Verband um die Hand stark behinderte. Außerdem war ihm ziemlich flau im Magen.
Also setzte er sich in den Zug und fuhr nach Reading. Er würde ein Bad nehmen und etwas essen und danach die letzten Feinheiten von Mrs. Zbigniews Garten ausarbeiten. Er hatte erwartet, daß das Haus leer sein würde – normalerweise war Heidi um diese Zeit in der Schule und Mrs. Talbot in dem Laden, in dem sie als Verkäuferin arbeitete –, aber als er die Haustür öffnete, sah er Heidis Schulblazer und ihre Mütze am Garderobenständer im Flur. Und gleich darauf hörte er sie polternd die Treppe herunterkommen.
»Caleb!« rief sie.
Er hob die bandagierte Hand. »Ich hatte einen kleinen Unfall. Müßtest du nicht in der Schule sein?«
»Ich hatte Kopfweh.« Sie umfaßte seine Hand und starrte sie an. Zaghaft betastete sie mit einer Fingerspitze den Verband. »Soll ich Ihnen was zu essen machen?«
»Nein danke. Ich nehme jetzt erst einmal ein Bad.« Er ging nach oben, erleichtert, ihrem bohrenden Blick entfliehen zu können.
In der Wanne streckte er sich aus und schloß die Augen. Er hätte einschlafen können. Als das Wasser abzukühlen begann, trocknete er sich ab, zog eine frische Hose an, warf sich das feuchte Handtuch über die Schultern und ging in sein Zimmer.
In seinem Bett lag Heidi, halb zugedeckt, in einem ausgeleierten Unterhemd, unter dem die Ränder eines schmuddeligen Büstenhalters zu sehen waren. Er sagte irgend etwas völlig Dümmliches wie: »Heidi, du lieber Gott!«, und sie klopfte auf das Kopfkissen.
»Ich hab auf Sie gewartet.«
Sein Herz raste. »Heidi, verschwinde. Mach, daß du rauskommst.«
»Reg dich doch nicht so auf, Caleb.« Ihre vorstehenden braunen Augen saugten sich an ihm fest. »Ich möchte mich dir schenken.«
»Wunderbar …«, murmelte er schwach. »Nein. Bitte. Du mußt gehen.«
»Aber ich liebe dich, Caleb.«
Er stellte sich vor, Mrs. Talbot käme nach Hause. Er sagte: »Was würde deine Mutter denken, wenn sie dich so vorfände?«, aber er wußte genau, was sie denken würde: daß er, Caleb Hesketh, ein erwachsener Mann, ihre unschuldige sechzehnjährige Tochter verführt hatte.
»Mama kommt noch lang nicht heim«, sagte Heidi gelassen. »Sie kommt freitags immer später. Da muß sie die Kasse machen.«
»Heidi, du mußt jetzt gehen.«
»Warum?«
»Weil –« Er starrte sie an. Sie zog das Gummiband von ihrem Mozartzopf. »Laß das –«
Sie schüttelte ihr Haar aus. Es fiel in mausbraunen dünnen Strähnen auf ihre kräftigen weißen Schultern. »Willst du nicht mit mir schlafen, Caleb?«
»Nein.« Alles andere, nur das nicht. Lieber wäre er jetzt am anderen Ende der Welt gewesen. Oder in ähnlicher Situation mit beinahe jeder Frau außer Heidi Talbot. Lieber würde er in Öl schmoren. Oder nein, das vielleicht doch wieder nicht. Andererseits – sein Blick fiel wieder auf das ausgeleierte Unterhemd – vielleicht würde er doch das heiße Öl vorziehen. »Nein«, sagte er mit Entschiedenheit. »Das will ich nicht.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Warum nicht? Findest du mich nicht hübsch?«
»Aber natürlich«, log er, »aber du bist zu jung. Viel zu jung.«
»Es gibt Mädchen, die heiraten mit sechzehn.«
Mit dem Rücken zu ihr riß er eine Schublade auf, um ein Hemd
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