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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Jacke hin und her. Romy suchte krampfhaft nach einem Gesprächsthema, aber ihr Gehirn war müde und leer.
    Am Nachbartisch saß ein altes Ehepaar. Die Frau war klein und stämmig, sie trug eine Flanelljacke und eine Strickmütze. Ihr Mann war im Mantel und hatte eine Schirmmütze auf. Sie sprachen ununterbrochen miteinander, es war ein ständiger Austausch von Worten und Wendungen, bei dem immer wieder einer den Satz des anderen vollendete. Romy stellte sich vor, was für ein Reichtum an Liebe und gemeinsamer Erfahrung in diesen beiderseits verstandenen halb erzählten Geschichten steckte. Wieder sprangen ihr die Tränen in die Augen. Sie stand auf und stieß dabei gegen den Tisch; die Gläser wackelten.
    In der Toilette schneuzte sie sich, kämmte sich die Haare und zog sich die Lippen nach. Den Blick in den kleinen Spiegel gerichtet, dachte sie: Wir sind einfach zu verschieden. Ich bin ehrgeizig und er nicht. Es ist wegen Magnus, seinem besten Freund, den er liebt und den ich nicht ausstehen kann. Es ist, weil ich empfindlich und besserwisserisch bin und immer gleich wütend werde.
    Aber sie wußte, daß es zwar all diese Dinge waren und doch keines davon. W enn man einen Mann liebt, tut man alles für ihn, hatte Mrs. Plummer gesagt. Sie und Tom konnten nicht zusammenkommen, weil sie ihn nicht liebte. So einfach und unlösbar war das. Überstunden, dachte sie. Tom und ich, wir haben schon zu lange Überstunden gemacht.
    Sie ging in den Schankraum zurück. Als sie sich setzte, sagte Tom: »Magnus hat übrigens endlich seinen Vorschuß bekommen. Er geht nach Paris. Er will dort leben. Noch ein englischer Winter würde ihn fertigmachen, sagt er.« Er schaute von ihr weg. »Ich habe mir überlegt, daß ich vielleicht mitgehe.«
    »Mit Magnus?« Ihr Herz flatterte.
    »Ja.«
    »Oh.« Sie hatte das Gefühl, plötzlich keine Luft zu bekommen.
    Es war still. Dann sagte er: »Ich wollte eigentlich sagen, daß du mitkommen kannst, wenn du möchtest, aber das wäre ziemlich sinnlos, nicht?«
    »Tom –«
    Er sagte leise: »Ich sehe es in deinen Augen.«
    Sie schob die Hände ineinander, preßte sie gegeneinander, bis die Knöchel schmerzten. »Ich habe nicht gesagt …« Sie sprach nicht weiter.
    »Das brauchst du auch nicht. Ich würde mit dir bis ans Ende der Welt gehen, wenn du mich darum bätest. Das weißt du, Romy, nicht wahr? Aber du empfindest nicht das gleiche für mich, ich weiß es. Und ich möchte lieber nicht in der Nähe sein, wenn du jemanden findest, an dem dir wirklich etwas liegt.«
    Sie fühlte sich wie betäubt. Es ist vorbei, dachte sie. Es ist aus.
    »Wann fährst du?« fragte sie leise.
    »In ein paar Wochen.« Er runzelte die Stirn. »Vorher fahre ich noch für eine Weile nach Hause zu meinen Eltern. Ich habe vor, meine Zelte hier schon ziemlich bald abzubrechen.«
    »Tom –«
    »Ich könnte es nicht ertragen, dich irgendwo zufällig zu treffen, verstehst du. Ich könnte es nicht ertragen, so zu tun, als wären wir nur Freunde. Oder dich zu hassen.«
    »Das tust du doch nicht?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er aufrichtig. »Manchmal wahrscheinlich schon. Ein bißchen. Wenn ich sehe, daß du nicht das gleiche empfindest wie ich. Ach, Romy, wein doch nicht. Bitte, weine nicht. Das würde es völlig unerträglich machen.«
    Sie drängte die Tränen zurück. »Es ist meine Schuld«, sagte sie. »Ich bin nur müde, Tom, weil ich so viel arbeite. Vielleicht, wenn wir es noch einmal versuchen –«
    Er stand auf und zog seine Jacke über. Er sah zu ihr hinunter. »Und niemals würde ich wollen, daß du bei mir bleibst, weil ich dir leid tue. Oder weil du keinen Schlußstrich ziehen kannst.« In seinem Blick waren ein Stolz und eine Bitterkeit, die sie ihm nicht zugetraut hätte. »Komm, ich bring dich ins Hotel.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich nehme ein Taxi.«
    Sie sah ihm nach, als er ging, sah ihren schönen Tom, ihren ersten Liebhaber, aus ihrem Leben verschwinden. Aber, dachte sie, während sie dem gedämpften Geplauder des alten Paars am Nachbartisch lauschte, sie hatte sich geirrt, sie hatte ihn doch geliebt. Sie hatte ihn nur nicht genug geliebt.
    Der Garten begann Gestalt anzunehmen. Caleb hatte unmittelbar hinter dem Haus eine kleine Backsteinterrasse angelegt, auf der Mrs. Zbigniew in der Sonne sitzen könnte. Von beiden Seiten der Terrasse führten mosaikartig gepflasterte Fußwege, die eine Rasenfläche umschlossen, in den hinteren Teil des Gartens. An den Mauern hatte er

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