Das Erbe des Vaters
Hause abgehauen.«
»Caleb?«
»Ich habe ihn im Fitzroy getroffen. Er hat sich erboten, mir beim Saubermachen zu helfen.«
Sie schaute ins Atelier, und da war er, Caleb Hesketh, um die rechte Hand einen dicken Verband, in der linken einen Putzlappen, mit dem er die Farbe von den Wänden zu scheuern versuchte.
Dann bemerkte sie die Bilder. Alle Leinwände waren kreuz und quer zerschnitten. »Ach, Jake!« rief sie. »Deine Bilder!«
»Sie hat gründliche Arbeit geleistet, nicht wahr? Aber viel wert waren die sowieso nicht. Das war von vornherein eine Sackgasse, in die ich mich nicht noch mal hineinbegeben werde. Aber Leinwand ist so verdammt teuer. Möchtest du was trinken, Romy? Wir können unseren Kummer gemeinsam ertränken. Los, Caleb«, drängte Jake, der plötzlich etwas heiterer aussah, »erzähl Romy, was dir passiert ist.«
Caleb warf den Lappen in einen Eimer. »Ich habe mir die Hand aufgeschnitten und kann ein paar Tage nicht arbeiten und habe keine Unterkunft.«
»Ach, komm, Mann, raus mit der Sprache!« rief Jake. »Die Geschichte bringt einen wenigstens zum Lachen. Er kippte den letzten Schluck seines Whiskys hinunter und verkündete mit Genuß: »Caleb wird von einer minderjährigen Nymphomanin verfolgt.«
Caleb machte ein finsteres Gesicht. »Das stimmt. Von der Tochter meiner Zimmerwirtin.«
Romy erinnerte sich ihres Gesprächs im Pub. »Heidi?«
»Hm. Sie wollte sich mir schenken.«
Jake kicherte verstohlen. Caleb sagte ohne Groll: »Lach ruhig. Ich hab mein Leben schon beendet gesehen. Es war der reinste Alptraum. Mit Heidi und ihrer Mutter gemeinsam im adretten Reihenhäuschen. Mit Glück würde ich vielleicht ein eigenes Zimmer bekommen. Und in einigen Jahren könnte ich mir ein gebrauchtes Auto leisten. Und überall würde es von kleinen Heidis mit Mäusehaar und Stiernacken wimmeln.«
»Das kleine Luder wollte ihn erpressen«, erklärte Jake. »Da hab ich ihm angeboten, vorläufig bei mir unterzukriechen. Ich dachte, er könnte auf meinem Sofa schlafen. Aber das hat sie leider auch in die Mangel genommen.«
Roßhaar quoll aus den Schlitzen in der Polsterung.
»Camille muß ganz schön die Nase voll gehabt haben von dir, Jake«, stellte Romy nüchtern fest. »Was hast du bloß angestellt?«
»Gar nichts! Ehrenwort. Sie hat sich alles nur eingebildet. Ich konnte ja keine andere Frau anschauen, ohne daß sie mir gleich an die Gurgel gegangen ist. Was mich wirklich wurmt, ist, daß sie ein verdammt gutes Modell war. So faul, daß sie stundenlang daliegen konnte, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. So viel Energie wie hier –« mit einer Handbewegung umfaßte Jake die Zerstörungen in Atelier und Flur – »hat sie noch nie in ihrem Leben aufgewendet.«
»Und wo ist sie jetzt?«
»Ich hab keinen Schimmer. Wahrscheinlich hat sie sich irgendeinen armen Trottel geschnappt, der ihr einen Ring an den Finger steckt. Darauf war sie von Anfang an aus. Sie wollte unbedingt heiraten. Aber ich hab ihr gleich gesagt, daß sie da bei mir an der falschen Adresse ist. Einmal reicht, hab ich gesagt, aber sie hat’s trotzdem immer wieder versucht.«
»Ich wußte gar nicht, daß du mal verheiratet warst, Jake.«
»Das ist Jahre her. Es war vor dem Krieg. Eine einzige Katastrophe. Zum Glück ist sie dann mit einem Staubsaugervertreter durchgebrannt. Nie wieder, kann ich nur sagen.«
Caleb brummte: »Wie kommt es eigentlich, daß die Frauen, mit denen man schlafen will, nicht mit einem schlafen wollen, und die Frauen, die man nicht mit der Kohlenzange anrühren würde, einem nachlaufen wie die Teufel?«
»Das«, sagte Jake, »ist eines der großen ironischen Geheimnisse des Lebens.« Er warf Romy einen Blick zu. »Tom ist also von der Bildfläche verschwunden, hm?«
»Er ist mit Magnus nach Paris gegangen.«
»Kopf hoch. Männer gibt es wie Sand am Meer.«
Sie schüttelte den Kopf. Ihr war elend zumute.
»Unsinn«, sagte Jake aufmunternd. »Unser guter alter Tom war nur der erste von vielen.«
Sie sagte deprimiert: »Na, sie stehen nicht gerade Schlange. Und er fehlt mir.« Ihre Augen brannten.
»Fang jetzt bloß nicht an zu heulen. Du weißt, ich kann flennende Weiber nicht ausstehen. Da muß ich immer mitheulen.« Jake machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich vermute, das Schlimme ist, daß du Tom wirklich gemocht hast. Wohingegen es bei mir und Camille – na ja, da war natürlich der Sex, aber ich glaube nicht, daß wir uns besonders gemocht haben. Und du warst auch nicht gerade hin
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